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Der Nationalsozialistische Lehrerbund (NSLB)
Von Joseph Goebbels, heißt es, stammt die Umkehrung des Satzes "Wer die Jugend hat, hat die Zukunft" – es müsse stattdessen heißen: "Wer die Zukunft hat, der hat die Jugend!" Ganz so sicher waren sich die Nationalsozialisten ihrer Zukunftsfähigkeit jedoch nicht; und deshalb unternahmen sie schon lange vor ihrem Machtantritt allerhand Anstrengungen, um sich "die Jugend" zu sichern. Bereits im Dezember 1925, zehn Monate nach Wiederzulassung der NSDAP (nach dem Hitlerputsch 1923 war sie verboten worden), wurde der Nationalsozialistische Deutsche Studentenbund (NSDStB) gegründet, im Zusammenhang mit dem Weimarer NSDAP-Parteitag 1926 bildeten sich die Hitlerjugend1 und der NS-Lehrerbund (NSLB). 1935 löste sich der NS-Dozentenbund (NSDDB) als eigene Organisation aus dem NS-Lehrerbund; ihm gehörte 1938 ein Viertel aller deutschen Hochschullehrer an, eine seiner vier "wissenschaftlichen Akademien" des NSDoB befand sich in Tübingen.
Die Anfänge des Nationalsozialistischem Lehrerbundes (NSLB)2 gehen auf den Weimarer Parteitag der NSDAP 1926 zurück. Im April 1929 wurde der NSLB formell ins Leben gerufen. Zu diesem Zeitpunkt hatte er 48 Mitglieder, sein "Führer" wurde der Bayreuther Lehrer Hans Schemm (1891-1935).] Im Juni 1932 zählte der NSLB 6.000 Mitglieder (der Deutsche Lehrerverband hatte 150.000), im Dezember 1933 waren es 220.000.3 Die große Mehrzahl von ihnen war freiwillig oder halb-freiwillig Mitglied geworden: Die früheren Lehrerverbände waren korporativ dem NSLB beigetreten; deren Mitglieder wollten ihren Anspruch auf Sozial- und Unterstützungskassen nicht verlieren oder hatten sich – aus Überzeugung, Opportunismus oder Resignation – dem neuen Verband angeschlossen. Seit 1934 waren bis auf wenige Ausnahmen alle Lehrerinnen und Lehrer im Kreis Tübingen NSLB-Mitglieder; noch im März 1931 hatte er im Kreis Tübingen nicht existiert.4
Im November 1938 zählte der NSLB nach eigenen Angaben 303.000 Mitglieder, das waren 97 Prozent der deutschen Lehrerinnen und Lehrer.5 Die früheren Lehrerverbände hatten sich aufgelöst oder waren verboten worden, der NSLB war jetzt die einzige legale Organisation der deutschen Lehrerschaft. Aber er hatte keine pädagogischen Zielsetzungen, er kümmerte sich auch nicht um Gehalts- und Arbeitsbedingungen – das hätte den Vorstellungen der Nationalsozialisten von der homogenen "Volksgemeinschaft", in der es keine Interessenkonflikte geben könne, widersprochen. Dafür hatte er von Anfang an einen klaren Machtanspruch, nämlich gegenüber seinen Mitgliedern: Der NSLB sollte "eines der Kampfbataillone Adolf Hitlers"6 sein und seinerseits die Jugend "kriegstauglich"7 machen.
Ursprünglich war der NSLB eine Gliederung der NSDAP: Nur Parteimitglieder durften dem NSLB angehören. Nachdem die NSDAP im Mai 1933 eine Beitrittssperre verfügt hatte, wurde diese Koppelung aufgehoben, um den – gerade zu dieser Zeit – beitrittswilligen Lehrkräften den Weg in den NSLB nicht zu versperren. Der Nationalsozialistische Deutsche Lehrerbund e.V. war jetzt nur noch "angeschlossener Verband" und formell selbstständig. Um ihn weiter kontrollieren zu können, schuf die NSDAP mit dem "Amt für Erzieher" eine neue Parteigliederung; es war parallel zur NSLB-Hierarchie aufgebaut, seine Funktionäre waren personell identisch mit den jeweiligen NSLB-Funktionären – die NSDAP konnte auf diese Weise direkt auf den NS-Lehrerbund zugreifen.8
Im Krieg ging die Bedeutung des NSLB rapide zurück. Ein großer Teil der Lehrer war zur Wehrmacht eingezogen, die anderen waren mit "kriegswichtigen Aufgaben" (ständige Sammlungen, Wachdienste), überfüllten Klassen und erhöhten Pflicht-Deputaten überlastet. Die HJ und Hitlers Kanzleichef Martin Bormann hatten die Initiative weitgehend an sich gezogen, außerdem hatte die NSLB-Leitung den Konflikt mit der NSDAP-Führung gewagt (sie wollte die Dequalifizierung der Lehrkräfte verhindern) und verloren. Vor allem wurde sie wegen ihres chaotischen Finanzgebarens 1941 unter Zwangsverwaltung gestellt. Am 18. Februar 1943 – Goebbels hielt in Berlin seine berüchtigte Sportpalast-Rede, die Geschwister Scholl wurden in München verhaftet – wurde der NSLB formell "stillgelegt".9 Nach dem 'Endsieg' sollte er revitalisiert werden; stattdessen wurde er vom Alliierten Kontrollrat im am 10. Oktober 1945 erlassenen Kontrollratsgesetz Nr. 2 als an die NSDAP angeschlossene Organisation aufgelöst.
Michael Kuckenburg untersucht in mehreren Beiträgen Tübinger NSLB-Akteure, so Gotthold Griesinger, ab 1936 Kreisamtsleiter des NS-Lehrerbundes, und Gotthold Wankmüller – als typischen "Mitläufer" – jeweils in einer Langbiografie. In Kurzbiografien vorgestellt werden Erwin Rupp, von 1940 bis 1943 kommissarischer Kreisamtsleiter des NSLB; Kuno Fladt, beim NSLB Reichssachbearbeiter für Mathematik und Naturwissenschaften; Friedrich Eppensteiner, während des Zweiten Weltkriegs "Vertrauensmann für die wehrgeistige Erziehung der deutschen Jugend" an der Kepler-Oberschule und am Uhland-Gymnasium; und Karl Hötzer, NSLB-Kreisgeschäftsleiter.
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Einzelnachweise
- Die Hitlerjugend (HJ) war die Jugend- und Nachwuchsorganisation der NSDAP, damit Parteigliederung und nicht nur "angeschlossener Verband" wie nach 1933 der NS-Lehrerbund. Ab Frühjahr 1933 war die HJ die einzige legale Jugendorganisation in Deutschland, 1938 gehörten ihr 98 Prozent der deutschen Kinder und Jugendlichen zwischen 10 und 18 Jahren an: Kammer, Hilde / Bartsch, Elisabeth, Jugendlexikon Nationalsozialismus, Berlin 2006, S. 115-120. In den Schul-Tagebüchern wurden die Funktionen einzelner HJ-Mitglieder ebenso vermerkt wie die – seltene – Nichtmitgliedschaft inklusive deren Grund (meistens "nicht arisch"). Am Tübinger Kepler-Gymnasium waren laut Schulbericht 1937 sämtliche Schüler in der HJ – "bis auf die drei halbarischen und den nichtarischen Schüler der Anstalt": SAT: 103/2 Nr. 26. ↩
- Die Geschichte des NSLB ist auf Reichs-, Gau-, und Ortsebene bisher relativ wenig erforscht. Eine Auswahl bisheriger Literatur findet sich im nachfolgenden Literaturverzeichnis. ↩
- Zur Mitgliederentwicklung allgemein: Feiten 1981, S. 49f; Erger 1980, S. 216 ff. ↩
- Tübinger Chronik vom 11.4.1931; Staatsarchiv Ludwigsburg: PL 516 Bü. 80. ↩
- Feiten 1981, S. 294 Anm. 7. ↩
- Zitiert in Erger 1980, S. 217. ↩
- Im Erziehungslager Isny 1936 (für Klassen 11-13) war "straffste soldatische Durchführung" entscheidend (Stadtarchiv Tübingen: E 103/2 Nr. 75); die Ministerialabteilung für die höheren Schulen Württembergs verlangte am 8. Dezember 1939, "dass die Leibesübungen als die Vorschule für den Dienst in der Wehrmacht mit besonderem Nachdruck zu betreiben sind" (Stadtarchiv Tübingen: 103/2 Nr. 35); Tübinger Chronik vom 3.6.1940; Schönhagen 1991, S. 155. ↩
- Feiten 1981, S. 134, S. 149ff; Staatsarchiv Ludwigsburg: PL516 Bü. 80. ↩
- Bölling 1983, S. 141f. ↩