Langbiografie

Max Wundt

Blut- und Boden-Philosophie: Erbittert bekämpfte Max Wundt (1879-1963) die Weimarer Republik und hetzte gegen die Juden

"Vom Österberg bis zum Bismarckturm flattern die Fahnen der Reaktion. Und unten in der Universität werden republikanische Professoren hinausgeekelt und ihre Stühle mit Hakenkreuzprofessoren besetzt. Es gibt in ganz Deutschland keine Universität mehr, die so geeignet wäre, zur Hochburg der nationalsozialistischen Studentenbewegung werden zu können, wie gerade Tübingen."1 Die sozialdemokratische Schwäbische Tagwacht brachte die Situation Ende der 1920er Jahre auf den Punkt: Stadt und Universität Tübingen waren weit nach rechts gerückt. Mit Max Wundt aus Jena wurde 1929 ein deutsch-völkischer Philosoph an die Eberhard Karls Universität Tübingen berufen, den zweiten philosophischen Lehrstuhl hatte seit 1928 der deutsch-nationale Theodor Haering inne.2

Max Wilhelm August Wundt war der Sohn des Psychologen und Philosophen Wilhelm Wundt (1832 – 1920). Er wurde am 29. Januar 1879 in Leipzig geboren, besuchte das dortige Nicolai-Gymnasium, studierte in Leipzig, Freiburg und Berlin Philosophie und Klassische Philologie. 1904 wurde er in Leipzig mit einer Arbeit über Herodot promoviert, 1907 habilitierte er sich in Straßburg bei Theobald Ziegler und Clemens Baeumker über den "Intellektualismus in der griechischen Ethik". Ende August 1914 wurde er eingezogen und stand von Januar 1915 bis September 1918 an der Front. Bis Dezember 1918 lehrte er Philosophie an der Universität Dorpat, erhielt zum Sommersemester 1919 in Marburg ein Extraordinariat und wechselte zum 1. April 1920 als Nachfolger des Neuidealisten Rudolf Eucken an die Universität Jena.3

Wundt war eine der zentralen Gestalten der extrem antidemokratischen und antisemitischen Philosophen sowie ein Vertreter des autoritären Machtstaats, der in der Weimarer Republik eine immense antirepublikanisch gerichtete Tätigkeit entfaltete. Die begann schon am Ende des Ersten Weltkrieges. Als der begeisterte Kriegsteilnehmer 1917 an der Front die Republik heraufziehen sah, warnte er davor, das nach Einkommen gestaffelte preußische Dreiklassenwahlrecht aufzugeben, und tadelte liberale Soldaten, Industriearbeiter sowie die Sozialdemokratie. Seine Erfahrungen im Krieg hätten ihn gelehrt, dass den Soldaten das neue Wahlrecht "absolut wurscht" sei. Ein Mann müsse sich und die Familie erhalten, die "großen Fragen der Politik" seien nicht "seine Geschäfte". Ständische Unterschiede würden als "selbstverständliche Tatsache" hingenommen.4

Wundt war überzeugter Monarchist und ein Alt-Nationalist, der auf Rangunterschiede pochte. In der Demokratie sah er die "rücksichtslose Vergewaltigung des Volkswillens durch einen Klüngel von Politikern", die republikanische Verfassung sei "undeutsch", von den "Feinden" dem deutschen Volk übergestülpt. In einer Demokratie sei der Staat ein Handelshaus, Politik ein Geschäft.5

In der Weimarer Republik publizierte Wundt in zahlreichen Blättern, die zwischen dem deutschnationalen und dem völkischen Spektrum angesiedelt waren: Deutschlands Erneuerung, Kreuzzeitung, Der Tag, Sonne, Türmer, Völkischer Beobachter und Deutsches Adelsblatt. Als Dozent ließ er sich für Schulungswochen beim völkischen und antisemitischen Deutschen Hochschulring (DHR) verpflichten, er sprach beim "Verband deutscher Akademiker"6 und gehörte zu den führenden Köpfen der Deutschnationalen Hochschullehrervereinigung.

1917/1918 zählte Wundt zu den Mitbegründern der überwiegend von Deutsch-Nationalen und Völkischen beherrschten Deutschen Philosophischen Gesellschaft (DPhG), die sich als "nationale Alternative" zur universalistischen Kant-Gesellschaft verstand und den deutschen Idealismus mit "deutschem Geist" wiederbeleben wollte. Zahlreiche personelle Kopplungen und Beziehungen gab es zu deutsch-nationalen und völkischen Organisationen, etwa zur Fichte-Gesellschaft, zur "Gesellschaft deutscher Staat" (GDS) und zum Deutschvölkischen Schutz- und Trutzbund (DVSTB). Wundt war 1920/21 an der Gründung der "Gesellschaft Deutscher Staat" (GDS) beteiligt, von 1925 bis 1933 war er deren Vorsitzender. Die GDS war das Pendant zur akademisch ausgerichteten Fichte-Gesellschaft und der DPhG, "offensichtlich ein Bindeglied zwischen dem akademischen Raum und einflussreichen Multiplikatoren aus der Wirtschaft und dem Militär."7

Eine enge Zusammenarbeit gab es mit dem antirepublikanischen, nationalistischen, völkischen, antisemitischen und rassistischen Alldeutschen Verband (ADV) und mit der berufsständisch, volks- und werksgemeinschaftlichen Gruppe "Deutsche Industriellenvereinigung / Bund für Nationalwirtschaft und Werksgemeinschaft". Mit diesen Organisationen war die GDS Initiator einiger Veranstaltungen und Tagungen, die von 1930 an von der politischen Polizei beobachtet wurden.8 Wundt referierte etwa über "Die Ehre als sittliche Grundlage des Staats- und Volkslebens", "Echter und unechter Volksstaat" und das "Wesen des Führertums". Ende der 1920er Jahre setzte Wundt seine Unterschrift unter den Gründungsaufruf der Sektion Universitäten und Hochschulen des "Kampfbundes für deutsche Kultur" (KfdK), am 8. Juli 1931 war er Mitbegründer der Tübinger Ortsgruppe im Haus der Sängerschaft Zollern.9

Mit dem Ständestaat-Theoretiker Othmar Spann, dem NS-Philosophen Hermann Schwarz, dem NS-nahen Rechtstheoretiker Julius Binder und DNVP-Mann Paul Bang gab Wundt von 1927 bis 1929 die Zeitschrift Nationalwirtschaft. Blätter für organischen Wirtschaftsaufbau heraus. Die Zeitschrift positionierte sich deutlich gegen die Weimarer Republik und ergriff Partei für den italienischen Faschismus. Wundt wurde auch Autor für den Völkischen Beobachter und nannte Georg Wilhelm Friedrich Hegel zu dessen 100. Todestag am 14. November 1931 "einen wahrhaft völkischen Denker".10

Am 10. November 1929 übermittelte Wundt zusammen mit Adolf Hitler, Alfred Hugenberg, Mitgliedern der DNVP und des Stahlhelms eine Dankesadresse an den "Reichsausschuss für das Volksbegehren gegen den Young-Plan". Über vier Millionen "aufrechter Deutscher [sic!] Männer und Frauen" hatten sich dem Volksbegehren "gegen Tributplan und Kriegsschuldlüge" angeschlossen.11 Im Oktober 1932 setzte Wundt seinen Namen mit 280 anderen Dozenten unter die antiparlamentarischen Staatsreformpläne von Reichskanzler Franz von Papen: "Hochschullehrer für (eine) unabhängige Staatsführung."12

In seinen (populär-)wissenschaftlichen Vorträgen, Aufsätzen und Büchern stellte Wundt den staatlichen Gegenentwurf zur Weimarer Republik heraus. Dabei modifizierte er im Laufe der Zeit seine Thesen, wurde differenzierter und schärfer im Ton. Mal stand er dem "Revolutionären Nationalismus" näher, mal den Deutsch-Völkischen. Seine grundsätzlichen Positionen blieben dieselben: Antiliberal, antiaufklärerisch, antisemitisch und völkisch. Philosophisch vertrat Wundt einen religiös fundierten Idealismus in Anlehnung an Platon, Fichte und Hegel. In seinen Arbeiten erwies sich Wundt auch als politischer Stratege. So suchte er in Geist unserer Zeit (1920) als monarchistischer Vertreter den Schulterschluss mit der Arbeiterschaft. Sie solle sich mit den alten Kräften (Alldeutsche, Großgrundbesitzer, Adlige) zusammentun, um gemeinsam gegen das Bürgertum zu kämpfen und das "System" durch einen revolutionären Akt zu überwinden.

In seinem Buch Deutsche Weltanschauung. Grundzüge völkischen Denkens von 1926 zeigte sich Wundt als völkischer, rassistischer und antisemitischer Ideologe, mit einer Nähe zum "arischen Glauben", dessen Hauptquelle er in der Edda sah.13 Germanischer Wille, christliche Liebe und griechischer Geist seien die Grundlagen der völkischen Weltanschauung. Die nordische Seele mit ihrer stürmischen Tatkraft und der nordische Geist mit seinem auf hohe Ziele gerichteten Sinn erschienen ihm als geborene Führer des deutschen Volkes.

Der Führergedanke müsse das gesamte öffentliche Leben durchdringen, jeder solle "in seinem größeren oder kleineren Kreise zum Führer" werden – dieser sei "nur Gott in seinem Gewissen verantwortlich",14 so Wundt. Nach Innen forderte Wundt vom Staat "Schutz und Förderung des deutschen Blutes", außenpolitisch die Vereinigung des von Deutschen in Mitteleuropa besiedelten Bodens sowie die Wehrhaftigkeit des deutschen Volkes.15 Sah Wundt in früheren Werken die westlichen Demokratien als "Hauptfeind" des "deutschen Denkens", rückten an diese Stelle nun die Juden. Es gelte, die völkische Weltanschauung im Kampf gegen den jüdischen Geist zu erringen, denn dieser Geist sei Träger aller den Deutschen "schädlichen Denkrichtungen": Materialismus, Positivismus, Relativismus und Skeptizismus.16

Im Anhang dieses Werkes, einer 25-seitigen Schrift mit dem Titel "Der ewige Jude. Ein Versuch über Sinn und Bedeutung des Judentums", vertrat Wundt einen wütenden Antisemitismus. Die Juden hätten sich auf dem Boden der Deutschen "eingenistet", der Feind müsse "von uns selbst oder unseren Kindern vertrieben werden."17 Der "Judengeist" habe schon "erschreckend weite Bezirke der deutschen Seele erobert."18 Die Juden nannte Wundt eine "teuflische Macht"19 ; sie seien ein Geist der Verworfenheit, des Hasses und der Verneinung, der eine zersetzenden Wirkung auf die Völker habe.

Blut und Boden sind in Wundts völkischem Gesellschaftsmodell zentral, das Blut ist das innere Band der "Volksgenossen", der Boden das äußere. Die militärischen Tugenden Befehl und Gehorsam werden bei ihm Grundlage der Sittlichkeit im zivilen Leben, "Treue" und "Ehre" halten in der Ethik "Führer" und "Geführte" zusammen. Der Machthaber müsse gleichzeitig Feldherr und Staatsmann sein, ihm werden auch tiefste Eingriffe in die Freiheit der Bürger erlaubt.

Alfred Rosenberg lobte zwar "eine Reihe von Kapiteln", warf Wundt jedoch "Rassenchaos" vor. Auch vermisse er eine "klare Kampfstellung."20 Trotz der Kritik sah der NSDAP-Chefideologe den Tübinger Philosophen für die 1932 geplante Zeitschrift des Kampfbundes "Volk und Kultur" als Schriftleiter vor. In der Sparte "Geist und Leben" sollte er neben dem Tübinger Philosophenkollegen Theodor Haering für die Philosophie zuständig sein, mit Rosenberg und Hitler für die Sparte "Staat und Kultur".21

Nach dem 30. Januar 1933 wurden die von Wundt aufgestellten Forderungen nach Einschränkung der Schrift-, Rede-, Versammlungs- und Pressefreiheit Wirklichkeit. Der Machtantritt der Nationalsozialisten befeuerte zunächst Wundts Karriere. Ende April 1933 wurde er in den Kleinen Senat berufen, am 20. Juli 1933 holte ihn der 'Gleichschaltungskommissar' Gustav Bebermeyer in einen Ausschuss, der ein Reichsrahmengesetz zur Hochschulreform vorbereiten sollte.22 Und im November 1933 wurde Wundt Mitglied im "Führerrat" der Universität.23 1933 rückte Wundt auch in den Vorstand der Deutschen Philosophischen Gesellschaft (DPhG) auf und unterstützte später die Neugründungen von Ortsgruppen in Wien und Graz.24 Einer Partei hat er nicht angehört, er schloss sich lediglich dem NS-Reichskriegerbund (NSRKB) und (seit 1934) der Nationalsozialistischen Volkswohlfahrt (NSV) an, ein Amt hatte er nicht inne. Von 1940 bis 1945 war er Blockwart im Reichsluftschutzbund (RLB).25

Geschätzt wurde er dennoch. So würdigte das Kulturpolitische Archiv Wundts Verdienste in der "Systemzeit". Er "ist als ein alter Vorkämpfer für deutsch-völkische Ideen bekannt", urteilte es 1936, und er sei durchaus "in kämpferischer Weise für seine Überzeugung eingetreten." Wundt gelte zu Unrecht in Tübinger NS-Kreisen als "etwas reaktionär". Zwar sei er kein Parteigenosse, doch die Söhne gehörten zu den ältesten Hitlerjungen. "Da er fachlich und wissenschaftlich einen guten Ruf genießt, ist eine Zusammenarbeit mit Wundt zu empfehlen."26 Der Sicherheitsdienst stufte ihn in die 25 Philosophen umfassende Liste der "politisch positiven Professoren" ein (zusammen mit Haering).27

Max Wundt, dessen geistiger Aristokratismus sich mit der auf "Volksgemeinschaft" und "Masse" zielenden NS-Propaganda schlecht vertrug, hatte sich vom Nationalsozialismus vermutlich eine Übergangs-Diktatur erhofft, die den Weg für die von ihm grundsätzlich präferierte Erbmonarchie freimachen sollte. Am Sturz der Weimarer Republik beteiligt, stand er in der NS-Zeit als Philosoph nicht in der ersten Reihe. Als Redner trat er wenig in Erscheinung. Mit dem NS-System identifizierte er sich über den Antisemitismus und die völkische Philosophie. Bei Philosophenkollegen galt er eher als "Vorkämpfer" deutschvölkischer Ideen denn als "Mitkämpfer" in der NS-Gegenwart. Auch die von ihm unterstützten Organisationen wie "Deutsche Philosophische Gesellschaft", "Kampfbund für Deutsche Kultur", "Alldeutscher Verband" und "Gesellschaft Deutscher Staat" spielten nach 1933 keine große Rolle.

Neben philosophischen Arbeiten, in denen er fachwissenschaftliche Normen überwiegend einhielt, betätigte er sich nach 1933 in der "Forschungsabteilung Judenfrage" und arbeitete an der Grundlegung einer "Völkischen Philosophie". Ins Reichsinstitut für Geschichte des neuen Deutschland holte ihn von November 1936 an der Präsident Walter Frank. Wundt war einer der drei Tübinger Wissenschaftler im "Sachverständigenbeirat" der "Forschungsabteilung Judenfrage". Dieses außeruniversitäre Institut sollte die Voraussetzungen zur deutlichen Trennung zwischen Deutschen und Juden erarbeiten28 und die deutsche Wissenschaft gegen die Juden mobilisieren.29 Die Tübinger schienen dafür besonders geeignet, hatte doch Wilhelm Gieseler seit Mai 1934 den Lehrstuhl für Rassekunde inne. Neben Wundt, der Referent für Philosophie und Philosophiegeschichte wurde, waren Gerhard Kittel (1888-1948; Professor an der Evangelisch-theologischen Fakultät) und Karl Georg Kuhn (1906-1976; Orientalist, seit 1942 außerplanmäßiger Professor für Geschichte des Judentums) in der "Forschungsabteilung" aktiv.30

Die drei Tübinger verfassten von den 52 Aufsätzen der Forschungsabteilung 15 Aufsätze, wobei Kittel das größte Engagement zeigte. Wundt schrieb nur zwei Aufsätze, 1936 und 1937. In ihnen diffamierte er jüdische Philosophen, allerdings in milderem Ton als in der "Systemzeit". 1938 erfolgte die Auflösung, das Projekt wurde als "Hauptreferat Judenfrage" im Reichsinstitut weitergeführt.31 Auf die Arbeit der drei Tübinger Professoren war Carl August Weber, Dekan der Philosophischen Fakultät, stolz: Durch deren Tätigkeit sei die Universität Tübingen führend geworden in der wissenschaftlichen Erforschung der weltanschaulichen und rassenpolitisch besonders bedeutungsvollen "Judenfrage".32

1944 mündeten Wundts Ansätze einer völkisch verstandenen Philosophie in eine Systematik rassegebundener Geistesströmungen: "Die Wurzeln der deutschen Philosophie in Stamm und Rasse" galten Wundt als Quintessenz seiner rassephilosophischen Forschungen.33 Mit diesem Werk wollte er die "großen Grundhaltungen deutschen Philosophierens" aus dem "Lebensboden unseres Volkes in Stamm und Rasse"34 herleiten. Die Rasse bestimme den Geist und das Psychische. Das Zusammentreffen der hellen (blonde Haare) mit der dunklen europäischen Rasse (braune Haare) habe den Boden für die philosophische Weltbetrachtung bereitet und in Deutschland einen "Dreiklang Nordisch-Fälisch-Dinarisch" hervorgebracht. Das "recht eigentlich Deutsche" erblickte er in der "nordisch-dinarischen Mischung",35 die sich zu hohen Leistungen fähig erwiesen habe.

Max Wundt war am Ende des Zweiten Krieges bereits 66 Jahre alt, er schied völlig unkompliziert aus den universitären Diensten aus. Im Entnazifizierungsgutachten36 heißt es, er habe aus seiner idealistischen Geschichtsphilosophie heraus die nationalsozialistischen Gedanken einer rassischen Aufzucht und Pflege des Volkes bejaht, seine Philosophie zähle "zweifellos zu den Grundlagen und Bausteinen des nat. soz. Denkens" und er habe "indirekt nat. soz. Gedankengängen starken Vorschub geleistet", doch Wundt habe sich dem Nationalsozialismus äußerlich ferngehalten und gehöre der Partei nicht an. Der Philosoph wurde in die Kategorie II ("geistige Wegbereiter") eingestuft.

Vermutlich wollte Wundt disziplinarischen Maßnahmen zuvorkommen, er bat am 16. Juli 1945 "im Hinblick auf mein Alter" um Emeritierung.37 Landesdirektor Carlo Schmid entband Wundt mit Genehmigung der Militärbehörden von den amtlichen Verpflichtungen und sprach dem Philosophen für die "langjährigen ausgezeichneten Dienste den Dank und die Anerkennung der Landeskultverwaltung aus."38 Unter den 31 Mitgliedern der "Vereinigung nichtnationalsozialistischer Tübinger Professoren" war auch Wundt.39 Allein der Umstand, kein NSDAP-Mitglied zu sein, reichte dafür aus. Die Philosophische Fakultät berief ihn als "beratendes Mitglied" in eine Berufungskommission für dessen eigene Nachfolge, den philosophisch-historischen Lehrstuhl.40 Am 14. Januar 1947 urteilte der Säuberungsausschuss über Wundt: "Ohne Maßnahmen". Da war er längst "Pensionär d. Württembergischen Landeshauptkasse",41 die Versorgungsbezüge wurden nicht herabgesetzt.42 Wundt starb am 31. Oktober 1963 in Tübingen.

Einzelnachweise

Mehr
  1. "Von der Landesuniversität", in: Schwäbische Tagwacht vom 15.7.1929, zitiert nach Schönhagen 1991, S. 33f.
  2. Dieser Aufsatz basiert auf der ausführlichen Darstellung in der Dissertation Hantke 2015.
  3. UAT: 126a/539; UAT: 228/1; UAT: 228/2; Tilitzki 2002, S. 124f.
  4. Wundt 1918a, S. 741.
  5. Wundt 1918b, S. 201.
  6. Der "Verband deutscher Akademiker“ wurde 1923 als "Arbeitsgemeinschaft der völkischen Akademikerverbände des deutschen Sprachgebietes" gegründet. Der erste "Akademikertag" beschloss, die "Voraussetzungen zur Errichtung eines wahrhaft großdeutschen Volksstaats in Mitteleuropa zu schaffen". Auf dem dritten Akademikertag 1928 sprach Max Wundt über den "freien deutschen Volksstaat": Gesamtverband Alter Landsmannschafter 1931, S. 144-146.
  7. Dahms 2003, S. 731.
  8. Tilitzki 2002, S. 521.
  9. "Aus Stadt und Amt: Kampfbund für deutsche Kultur (e. V. München)", in: Tübinger Chronik vom 10.7.1931; Ssymank 1939, S. 53.
  10. Völkischer Beobachter vom 14.11.1931, Erstes Beiblatt, zitiert nach Ottmann 1977, S. 168f.
  11. Lankheit 1994, S. 429.
  12. Tilitzki 2002, S. 588. Von Papen wollte das Wahlrecht ändern und strebte eine antidemokratische Verfassungsreform an. Einige Monate zuvor, im Juli 1932, entmachtete von Papen die preußische Landesregierung.
  13. Wundt, 1926, S. 50.
  14. Wundt 1926, S. 169.
  15. Wundt 1926, S. 167f.
  16. Wundt 1926, 74ff.
  17. Wundt 1926, S. 157.
  18. Wundt 1926, S. 195.
  19. Wundt 1926, S. 187.
  20. Die Kontroverse zwischen Wundt und Rosenberg begann mit einer Rezension Rosenbergs in der Beilage "Deutsche Weihnacht" im Völkischen Beobachter im Dezember 1926 über Wundts Deutsche Weltanschauung. Wundt verteidigte sein Buch, "das sich so entschieden gegen den jüdischen Geist wendet." Es hätte wohl nicht beim Lehmann-Verlag in München erscheinen können, wenn es den völkischen Anschauungen widersprochen hätte. Sein Buch sei die "schärfste Kampfansage gegenüber den undeutschen, in Deutschland aber so verbreiteten Geist." "Wahrhaft unvölkisch" aber sei der "Parteigeist". Rosenberg verteidigte sich und tadelte Wundt, er würde "im Tone der bekannten, unverstandenen Frau sein Gekränktsein {…} offenbaren." "Auseinandersetzung über Wundts 'Deutsche Weltanschauung'", in: Völkischer Beobachter vom 18.2.1927, S. 4.
  21. IFZ: Ma 697, S. 423.
  22. UAT: 47/40, Sitzungsprotokoll des Großen Senats, S. 197.
  23. Am 25. November 1933 machte das württembergische Kultministerium per Erlass aus der Tübinger Universität die "Führeruniversität" mit dem Rektor an der Spitze: Adam 1977, S. 52ff; Besenfelder 2002, S. 106.
  24. Die Deutsche Philosophische Gesellschaft erreichte im NS-Staat nie mehr die Bedeutung, die sie in der ungeliebten "Systemzeit" hatte. Es entwickelte sich eine Distanz zu entscheidenden NS-Größen, die Mitgliederzahl ging zurück, die Finanzierung durch das Ministerium war auf das Notwendige beschränkt. Der NS-Pädagoge Ernst Krieck rückte sie in die Nähe von Reaktionären, sein gleichgesinnter Kollege Alfred Bäumler trat aus: Tilitzki 2002, S. 1006ff; Schlotter 2004, S. 204ff.
  25. UAT: 126a/539; StAS: Wü 13 T2 Nr. 2093/196.
  26. BArch: NS 15/256 Bl. 37.
  27. BArch: R 4901/12444 Bl. 10ff.
  28. Lammers 2001, S. 372.
  29. Lammers 2001, S. 388.
  30. Zur Verwissenschaftlichung der "Judenfrage": Junginger 2011.
  31. Lammers 2001, S. 390.
  32. UAT: 126a/284, zitiert nach Lammers 2001, S. 374.
  33. Wundt 1944.
  34. Wundt 1944, S. 11f.
  35. Wundt 1944, S. 76.
  36. UAT: 172/2, Gutachten von Theodor Steinbüchel über Max Wundt.
  37. UAT: 126a/539.
  38. UAT: 126a/539.
  39. UAT 117/1864.
  40. HStaS: EA3/150, Bü. 2574, Schreiben Landesdirektor {Carlo Schmid} an Max Wundt vom 30. August 1945.
  41. UAT: 117/1864; StAS: Wü T2 Nr. 2093/196 .
  42. UAT 126a/539, Regierungsblatt Nummer 181 für das Land Württemberg-Hohenzollern vom 30. Juli 1947, Beilage 9.
  1. Adam, Uwe Dietrich, Hochschule und Nationalsozialismus. Die Universität Tübingen im Dritten Reich, Tübingen 1977.

  2. Besenfelder, Sabine, "Staatsnotwendige Wissenschaft". Eine Institutionen- und Alltagsgeschichte der Tübinger Volkskunde in den 1930er und 1940er Jahren, Tübingen 2002.

  3. Dahms, Hans-Joachim, "Jenaer Philosophen in der Weimarer Republik, im Nationalsozialismus und in der Folgezeit bis 1950", in: Hoßfeld, Uwe / John, Jürgen / Lemuth, Oliver / Stutz, Rüdiger (Hg.), "Kämpferische Wissenschaft". Studien zur Universität Jena im Nationalsozialismus, Köln / Weimar / Wien 2003, S. 723-771.

  4. Gesamtverband Alter Landsmannschafter (Hg.), Handbuch der deutschen Landsmannschaft 11. Auflage, Hamburg / Berlin / Stuttgart, 1931.

  5. Hantke, Manfred, "Das Philosophische Seminar: Deutsch bis in die Wurzeln", in: Wiesing, Urban / Brintzinger, Klaus-Rainer / Grün, Bernd / Junginger, Horst / Michl, Susanne (Hg.), Die Universität Tübingen im Nationalsozialismus, Stuttgart 2010, S. 385-434.

  6. Hantke, Manfred, Geistesdämmerung. Das Philosophische Seminar an der Eberhard-Karls-Universität Tübingen 1918-1945, Dissertation, Tübingen 2015 <publikationen.uni-tuebingen.de/xmlui/handle/10900/63403> (letzter Zugriff: 26.10.2020).

  7. Junginger, Horst, Die Verwissenschaftlichung der "Judenfrage" im Nationalsozialismus, Darmstadt 2011.

  8. Lammers, Karl Christian, "Die 'Judenwissenschaft' im nationalsozialistischen Dritten Reich. Überlegungen zur 'Forschungsabteilung Judenfrage' in Walter Franks 'Reichsinstitut für Geschichte des neuen Deutschlands' und zu den Untersuchungen Tübinger Professoren zur 'Judenfrage'", in: Raphael, Freddy, (Hg.), "... das Flüstern eines leisen Wehens ..." Beiträge zu Kultur und Lebenswelt europäischer Juden. Festschrift für Utz Jeggle, Konstanz 2001, S. 369-392.

  9. Lankheit, Klaus A., Hitler. Reden, Schriften, Anordnungen, Februar 1925 bis Januar 1933, München / New Providence / London / Paris 1994.

  10. o.N., "Aus Stadt und Amt: Kampfbund für deutsche Kultur (e. V. München)", in: Tübinger Chronik vom 10.7.1931.

  11. o.N., "Auseinandersetzung über Wundts 'Deutsche Weltanschauung'", in: Völkischer Beobachter vom 18.2.1927, S. 4.

  12. Ottmann, Henning, Individuum und Gemeinschaft bei Hegel, Berlin / New York 1977.

  13. Schlotter, Sven, Die Totalität der Kultur. Philosophisches Denken und politisches Handeln bei Bruno Bauch, Würzburg 2004.

  14. Schönhagen, Benigna, Tübingen unterm Hakenkreuz. Eine Universitätsstadt in der Zeit des Nationalsozialismus, Stuttgart 1991.

  15. Ssymank, Paul, Geschichte der Sängerschaft Zollern, Tübingen 1939.

  16. Tilitzki, Christian, Die deutsche Universitätsphilosophie in der Weimarer Republik und im Dritten Reich, 2 Bände, Berlin 2002.

  17. Wundt, Max (= Wundt 1918a), "Sozialpolitische Erfahrungen eines Kompanieführers", in: Konservative Monatsschrift 11/75 (August 1918), S. 738-748.

  18. Wundt, Max (= Wundt 1918b), "Deutsche Staatsauffassung", in: Deutschlands Erneuerung, Monatsschrift für das deutsche Volk 2 (1918), S. 199-202.

  19. Wundt, Max, Deutsche Weltanschauung. Grundzüge völkischen Denkens, München 1926.

  20. Wundt, Max, Die Wurzeln der deutschen Philosophie in Stamm und Rasse, Berlin 1944.

  1. Bundesarchiv (BArch): NS 15/256. Kulturpolitisches Archiv zu Max Wundt.

  2. Bundesarchiv (BArch): R 4901/12444. Dossier des Sicherheitsdienstes der SS zu den Philosophen an deutschen Hochschulen.

  3. Institut für Zeitgeschichte (IfZ) München: Ma 697 419-425. Exposé Zeitschrift Volk und Kultur.

  4. Staatsarchiv Sigmaringen (StAS): Wü 13 T2 (Staatskommissariat für die politische Säuberung) Nr. 2093/196. Wundt, Max Wilhelm August aus Leipzig (Geburtsort); Tübingen.

  5. Universitätsarchiv Tübingen: UAT 47/40 197. Sitzungsprotokoll des Großen Senats.

  6. Universitätsarchiv Tübingen: UAT 117/1864. Politische Säuberung.

  7. Universitätsarchiv Tübingen: UAT 228/1. Nachlass Max Wundt.

  8. Universitätsarchiv Tübingen: UAT 228/2. Nachlass Max Wundt.

  9. Universitätsarchiv Tübingen: UAT: 126a/539. Personalakte Max Wundt.