Langbiografie

Rupprecht Matthaei

Opportunistischer Karrierist und/oder weltanschaulich motivierter Überzeugungstäter: Rupprecht Matthaei (1895-1976) als NSDAP-Gemeinderat und Promotor der Gleichschaltung der Medizinischen Fakultät in Tübingen 1933/34

Als Privatdozent und außerordentlicher Professor für Physiologie war Rupprecht Karl Adalbert Matthaei (1895-1976) von August 1932 bis zu seiner Berufung an die Universität Erlangen zum 1. April 1935 einer der aktivsten Parteigänger der Nationalsozialisten im Lehrkörper der Universität Tübingen. Als einziger Hochschullehrer gehörte er von Mai 1933 bis März 1935 als Mitglied der NSDAP-Fraktion dem Tübinger Gemeinderat an. Seine Tätigkeit in den Universitätsgremien wie im Gemeinderat wurden von Uwe Dietrich Adam1 und Benigna Schönhagen2 bereits behandelt. Die bekannten Fakten werden im Folgenden ergänzt um Funde aus dem inzwischen zugänglichen Nachlass Matthaeis, dessen NS-Aktivitäten in Tübingen der Beitrag einzuordnen versucht.

1. Ausbildungsgang und hochschulpolitische Aktivitäten an der Universität Tübingen

Rupprecht Matthaei wurde am 22. Februar 1895 als Sohn des Professors für Bau- und Kunstgeschichte Adelbert Matthaei und seiner Ehefrau Anna geb. Siebel in Kiel geboren.3 Das Elternhaus war national und konservativ geprägt.4 Nach Schulbesuch in Kiel, Danzig und Zoppot studierte Rupprecht im Sommersemester 1913 Chemie an der Technischen Hochschule in Danzig, vom Wintersemester 1913/14 bis zum Wintersemester 1917/18 Medizin in Königsberg/Pr., Bonn, München und wieder Bonn, wo er im Juni 1918 sein medizinisches Staatsexamen ablegte und am 3. Juni 1919 die ärztliche Approbation erhielt.5

Am 26. Juni 1919 wurde er in Bonn zum Dr. med. promoviert, dort im Februar 1923 für Physiologie habilitiert und im gleichen Jahr zum Privatdozenten ernannt. Eine erste berufliche Anstellung fand der junge Arzt im Juni 1919 als Assistenzsarzt in Bonn. Seit 1927 war Matthaei mit Thea geb. Tielemann verheiratet; aus der Ehe gingen sechs Kinder hervor. Bereits 1927 trat er zusammen mit seiner Frau aus der evangelischen Kirche aus.6

Karrierehemmnisse in Bonn waren mit dafür ausschlaggebend, dass Matthaei 1929 als wissenschaftlicher Assistent an das Physiologische Institut der Universität Tübingen wechselte. Er wurde 1930 in Tübingen umhabilitiert und zum 1. Oktober desselben Jahres gleichfalls zum Privatdozenten für Physiologie mit Titel und Rang eines außerordentlichen Professors ernannt. 7 Auch in Tübingen musste er auf einen weiteren Aufstieg auf der akademischen Karriereleiter bis Mitte der 1930er Jahre warten. Dieser in den späten 1920er und 1930er Jahren verbreitete ‚Karrierestau‘ nicht nur für Ärzte8 und Nachwuchswissenschaftler in der Medizin ist vermutlich einer der Gründe dafür, dass Matthaei in die NSDAP eintrat.9

In Tübingen hatte sich Matthaei seit Anfang 1931 in der Vertretung der Assistenten als Mitglied des Deutschen Akademischen Assistentenverbandes (DAAV) engagiert und wurde dessen Ortsvorsitzender wie auch Vorsitzender des reichsweit agierenden DAAV. 10 Am 1. August 1932 wurde Matthaei NSDAP-Mitglied und unterschrieb die „Öffentliche Erklärung deutscher Universitäts- und Hochschullehrer“ (zugunsten der NSDAP) zur Reichstagswahl im November 1932 neben sechs anderen Tübinger Hochschullehrern.11 Matthaeis Stellung in der Tübinger NSDAP, der genauere – einem allgemeineren Muster entsprechende – Weg vom DAAV-Funktionär zum „Vertrauensmann der Partei“ an der Hochschule sowie seine Integration in die NS-Fraktion des Tübinger Gemeinderats sind vermutlich mangels Quellenzeugnissen nicht mehr im Einzelnen rekonstruierbar.12 Jedenfalls delegierten die Nationalsozialisten den Vorsitzenden der Assistentenvertretung neben dem Privatdozenten, Historiker und Parteigenossen Kurt Borries (1895 bis 1968)13 in den sogenannten Führerrat der Universität – anstelle von Gustav Bebermeyer (1890 bis 1975).14 Im November 1933 wurde er Vertreter der Nichtordinarien im Großen und im Februar 1934 im Kleinen Senat. Das in der „Neuen Ordnung der Universität“ neu errichtete Amt des „Führer[s] der Dozentenschaft“ übernahm Matthaei im Februar 1934.15 Anfang 1934 wurde er nach einem Vorstoß des „Stellvertreter des Führers“ Rudolf Heß zur direkteren Einflussnahme der Partei auf die Hochschulen „Vertrauensmann“ für die „Medizinische Fakultät“ an der Universität Tübingen.16 Er sollte zu allen Habilitationen und Berufungsfragen herangezogen werden. In dieser Funktion engagierte sich Matthaei in erster Linie in Berufungsfragen. Dabei kam es darauf an, neben fachlicher Eignung auch „die parteipolitische und weltanschauliche Haltung“ zur Geltung zu bringen.17

So gelang es ihm, Willy Usadel, NSDAP-Mitglied seit 1931, als Chef der Chirurgischen Klinik gegen den Willen der Fakultät zu etablieren. Usadel stand „‚mit einigem Abstand‘ erst an dritter Stelle der Liste“, hatte neben Matthaei insbesondere in seinem Bruder Georg (1900-1941) als Parteigenosse mit einflussreicher Stellung in Berlin einen Unterstützer. In Zusammenarbeit mit Willy Usadel setzte Matthaei alles daran, als Nachfolger von Otfried Müller auf den Lehrstuhl für Innere Medizin auf der der Fakultät Walter Parrisius (1891-1977), einen Schüler Müllers, durchzusetzen. Sie protegierten ihn, weil er „die nationalsozialistische Weltanschauung in unserer Fakultät, die vor dem Ziele noch weit zurückgeblieben ist, vorwärts treiben wird. Bezüglich der politischen und insbesondere nationalsozialistischen Zuverlässigkeit von Parrisius verweisen wir auf die völlig einhelligen Gutachten des Kommissars der Ruhrknappschaft Bochum, des Führers des NS-Ärztebundes und des Kreisleiters Essen.“18 Die Mehrheit der Fakultät bevorzugte jedoch Kandidaten ohne Tübinger ‚Stallgeruch‘. Darüber kam es zu erregten Auseinandersetzungen in der Fakultät und im Großem Senat, in dem sich Matthaei und Usadel mit einem Sondervotum zugunsten von Parrisius exponierten. Keine der beiden Seiten konnte sich durchsetzen, so dass es zu einer neuen Liste kam. Im Frühjahr 1935 wurde ein Kompromiss-Kandidat, Friedrich Koch aus Frankfurt am Main, nach Tübingen berufen.19

Ein bezeichnendes Licht auf Matthaeis Versuche, Vorstellungen der NSDAP an der Hochschule zur Geltung zu bringen wirft eine andere Aktion. Rektor Karl Fezers20 Bemühungen, die beklagten Behinderungen des Lehrbetriebs durch massive Einflussnahme der der SA durch eine Umfrage überprüfen zu lassen, versuchte Matthaei durch gezielte Auswahl der zu befragenden Hochschullehrer zu beeinflussen. Das gelang aber nur teilweise.21

3. Rupprecht Matthaei als NSDAP-Gemeinderat in Tübingen 1933-1935

Die Berufung nach Erlangen im Frühjahr 1935 beendete Matthaeis kurzzeitige Mitgliedschaft als NSDAP-Fraktionsmitglied im Tübinger Gemeinderat. Nach dem Inkrafttreten des „Vorläufigen Gesetz[es] zur Gleichschaltung der Länder mit dem Reich“ vom 31. März 1933 war das Kommunalparlament auf Basis des Gesetzes der württembergischen Staatsregierung über „Neubildung der aufgelösten Gemeinderäte“ vom 12. April nach dem Ergebnis der Reichstagswahl vom 5. März 1933 umgebildet und auf 22 Sitze verkleinert worden. Der nun aus 13 Abgeordneten bestehenden Mehrheitsfraktion der Nationalsozialisten gehörte auch Rupprecht Matthaei an.22

In der Sitzung des Gemeinderats am 15. Mai 1933 wurde die Diskussion über den „Freibadebetrieb“ fortgesetzt, die bereits im Finanz- und Bauausschuss stattgefunden hatte: Es ging um Grundsätzliches (Trennung der Geschlechter; Verstöße gegen die „guten Sitten“, gegen die mit aller Härte eingeschritten werden sollte; das Verbot der „Dreiecksbadehose“) und entsprechend der Beschlussvorlage der Nationalsozialisten, dass „Juden und Fremdrassigen […] der Zutritt zu der städtischen Freibadeanstalt zu verwehren“ sei.23 Vorgetragen wurde der Antrag von Stadtrat Matthaei, jedoch laut Protokoll nicht näher von ihm begründet; auch eine Aussprache ist im Protokoll nicht überliefert. Weil der Begriff „fremdrassig“ nicht näher definiert war, verursachte der zum Beschluss erhobene Antrag wegen des möglichen Einschlusses von ausländischen Studenten insbesondere aus befreundeten nichteuropäischen Ländern Irritationen. Er beschäftigte nach Einwänden der Universität das Kultministerium in Stuttgart und auch das Auswärtige Amt in Berlin.24 Am 23. Mai 1933 beriet der Gemeinderat erneut das Thema. Matthaei stellte klar, dass „rein fremdrassige als beispw. Türken, Perser, Ägypter, Inder, Chinesen, Japaner“ zu verstehen seien.25

Beim erneuten Aufruf des Freibadverbotes im Gemeinderat am 19. Oktober 1933 nach einem Erlass des württembergischen Innenministeriums vom 12. September 1933 erklärte Matthaei für die NSPDAP-Fraktion, dass es beim dem Beschluss in erster Linie um die Abstellung gewisser Übelstände beim gemeinsamen Bad beider Geschlechter ginge, dabei aber auch um „die Propagierung einer psychischen Rassenhygiene und die Klarlegung, dass die vielerorts eingeführte Ausschließung der Juden vom gemeinsamen Bade lediglich ein Ausdruck arischen Rassegefühls ist.“ Im Übrigen habe es im Sommer 1933 während der Badesaison „keine Anwendung“ des Verbots gegeben. Mit Bezug auf die Aussage des württembergischen Staatskommissars für Volksgesundheit Dr. Eugen Stähle über eine „reinliche Scheidung von allem, was nicht arischen Blutes ist“, wurden „Unbedenklichkeitsausweise für ausländische Studierende, die als rassisch erträglich gelten“, auf ausdrücklichen Wunsch des studentischen Auslandsamtes vereinbart. Einstimmig wurde beschlossen: „Das Bad ist nur Ariern zugänglich.“26

Es bleibt unklar, inwieweit Matthaei lediglich das Sprachrohr der Fraktion war und inwieweit er sich für das Badeverbot auf Basis eines dezidierten Antisemitismus mit persönlichen Überzeugungen dafür einsetzte. Zweifellos argumentierte er im Rahmen der von NS-Medizinern vertretenen Ansichten zur so genannten Rassenhygiene. Weitere antisemitische Äußerungen und rassistisch geprägte Ausfälle sind in Matthaeis Nachlass und Veröffentlichungen nicht überliefert.

Im Verlauf des Jahres 1934 und den ersten drei Monaten 1935 nahm Matthaei selten an den Gemeinderatssitzungen teil. Eine Ursache dafür war eine Lebererkrankung im Sommersemester 1934.27 Mit der Berufung nach Erlangen und dem Wegzug aus Tübingen schied er zum 31. März 1935 aus dem Tübinger Gemeinderat aus.28

4. Matthaei als Lehrstuhlinhaber in Erlangen 1935-1945 und sein weiterer Werdegang nach der Amtshebung 1945

Nach der Übersiedlung in die fränkische Universitätsstadt scheint Matthaei keine den Tübinger vergleichbaren Aktivitäten für den Nationalsozialismus entfaltet zu haben, obwohl er bei angemessener Qualifikation den Lehrstuhl in Erlangen vermutlich mit Hilfe parteiamtlicher Protektion erhalten hatte.29 Wendehorst hält in der „Geschichte der Universität Erlangen“ fest, dass er „anfänglich [kursiv E.L.] auch in die […] Reihe“ der „nationalsozialistischen Aktivisten“ gehörte.30 In den Rechtfertigungen bzw. Protesten gegen seine Entlassung nach 1945 minimierte Matthaei sein Eintreten für die Belange des Nationalsozialismus schon in Tübingen wie auch in Erlangen: In der fränkischen Universitätsstadt habe er sich auf den Aufbau des dortigen Instituts konzentriert und seinen Forschungen zur Farbenlehre Goethes gewidmet. Bereits in Tübingen hatte er über eine Veröffentlichung zur Gestaltpsychologie zu Problemen des Farbensehens gefunden, für das er auch nach 1945 als einer der führenden Spezialisten galt.31 Die Veröffentlichungen sind – soweit für den Nichtfachmann erkennbar – frei von nationalsozialistischem Gedankengut. In Selbstzeugnissen – den wenigen aus der Zeit vor und vor allem nach 1945 – hob er – wahrheitswidrig – hervor, dass er sich stets gegen wissenschaftsfremde Einflüsse seitens der Partei gewandt habe.32 “, es folgen dann etwa zehn ‚Belege‘ dafür, dass er sich in unterschiedlichen Situationen gegen politische Einflussnahme auf sein Fachgebiet und die Wissenschaft insgesamt gewehrt habe.] Als Zeuge für seine Orientierung an den überlieferten Maßstäben im fachwissenschaftlichen Lehrbetrieb in Erlangen kann der katholischen Widerstandskreisen angehörende, spätere approbierte Arzt , Journalist und langjähriger Chefredakteur der Wochenzeitung Rheinischen Merkur Otto B. Roegele herangezogen werden. Er studierte zeitweise in Erlangen Medizin und schrieb – wie auch andere Hörer von Matthaeis Vorlesungen – aus dem Kriegseinsatz und später seinem akademischen Lehrer respektvolle und dankbare Briefe.33

Matthaei führte nach 1945 immer wieder zu seiner Entlastung den Ausschluss aus der NSDAP mittels einstweiliger Verfügung der Gauleitung Franken am 18. Oktober 1943 an. Dieser sei erfolgt, weil er der wissenschaftlichen Arbeit Vorrang vor der Parteiarbeit verschaffen wollte.34 Über die genauen Hintergründe vermitteln die im Berlin Document-Center vorhanden Unterlagen keine völlige Klarheit. Im Zuge eines sich den ganzen Sommer 1943 hinziehenden Streits zwischen dem Dozentenbundführer und Dozentenschaftsleiters an der Universität Erlangen und dessen Stellvertreter kündigte Matthaei als Vertrauter des letzteren im Nationalsozialistischen Deutsche Dozentenbund (NSDDB) im Herbst 1943 seine Zusammenarbeit mit ersterem auf. Daraufhin erwirkte dieser Matthaeis vorläufigen Parteiausschluss. Matthaei protestierte, die Angelegenheit kam vor das Gauparteigericht.35 Im letzten erhaltenen Dokument aus dem Verfahren (danach bricht die Überlieferung ab) heißt es am 30. März 1944, dass der stellvertretende Gauleiter eine Aufhebung der Anordnung befürworte, dieser auch nichts dagegen einzuwenden habe, dass Matthaei sein Parteiabzeichen in der Öffentlichkeit trage – dies spricht nicht für besonders widerständiges Verhalten. Im Mai 1944 sei es noch zu einer „persönlichen Auseinandersetzung“ mit dem Gauleiter gekommen, „in der mich der höchste Hoheitsträger unseres Gaues‘ […] in ehrenrühriger Weise beleidigte.“36 Ob neben Eifersüchteleien und verletzten Eitelkeiten im NSDDB die inneruniversitären Auseinandersetzungen um die geplante Zusammenlegung der Medizinischen Fakultät der Universität Erlangen mit den Städtischen Kliniken Nürnbergs eine Rolle spielten, zu deren Gegnern Matthaei gehörte, liegt nahe, ist aber nicht zu belegen.37

Am 6. Juni 1945 wurde Matthaei von der amerikanischen Militärregierung als Ordinarius seines Amtes enthoben. Trotz schlussendlicher Einstufung im Spruchkammerverfahren als „Entlasteter“38 blieben seine Bemühungen um Wiedereinstellung vorerst erfolglos, auch weil sein Ordinariat wieder besetzt worden war. Am 14. Oktober 1948 lehnte die Medizinische Fakultät die Wiederverleihung der Venia legendi ab: Sie sei „aufgrund seiner früheren Einstellung trotz seiner Entlastung für die Fakultät nicht tragbar“.39 Nach Tätigkeiten als Dozent an der Volkshochschule in Erlangen erlangte er 1951 seine Lehrbefugnis wieder, zum 1. Januar 1956 erhielt er ein Ordinariat für Physiologie für Psychologen an seiner alten Universität.40 Zum 1. März 1961 wurde Matthaei emeritiert. Er verstarb am 6. Januar 1976 in Erlangen.

5. Fazit

Versucht man Matthaeis Einsatz für die NSDAP in Tübingen in den ersten anderthalb Jahren Monaten nach der Machtergreifung angesichts auch einer beschränkten Quellenlage einzuordnen und zu bewerten, so fällt es mit Blick auf die dann folgenden Jahre schwer, ihn als weltanschaulich motivierten Überzeugungstäter einzuschätzen. Völlig auszuschließen ist dies nicht; der Verfasser möchte ihn doch in erster Linie als opportunistischen ‚Karrieristen ‘ charakterisieren. Angesichts einer stockenden Berufslaufbahn hoffte Matthaei, durch die enge Zusammenarbeit mit den Nationalsozialisten beziehungsweise mit der Erfüllung von Parteiaufträgen seine Karrierechancen zu verbessern, was ihm auch gelang. Inwieweit sein Parteieintritt immerhin vor dem 30. Januar 1933 für eine wie auch immer geartete weltanschauliche Nähe zum Nationalsozialismus sprach und im welchem Umfang er sich mit dessen politischen Zielen identifizierte, konnte jedenfalls über das Präsentierte hinaus nicht ermittelt werden. Sein Aufwachsen in einem konservativ geprägten Elternhaus wie seine Einschätzung der politischen Entwicklungen Ende der 1920er Jahre ließen ihn frühzeitig zum Unterstützer der NSDAP werden. Aus Eigennutz wurde er zu einem der vielen ‚Handlager‘ der Partei, die die Unrechtsdiktatur etablieren halfen und sie bis zu ihrem Ende aufrechterhalten ließen.

Einzelnachweise

Mehr
  1. Adam 1977, vor allem S. 52-58, 69f, 90f, 127ff; Grün 2010 paraphrasiert seine Ausführungen zu Matthaei entsprechend Adam 1977.
  2. Schönhagen 1991, insbesondere S. 130, 144.
  3. Zur Biographie und den Vorfahren auch: o.N., 1990.
  4. Siehe Adelbert Matthaeis Ausführungen in „Der Krieg von 1914 und die bildende Kunst in Deutschland. Vortrag, gehalten im Rahmen der ‚vaterländischen Reden‘ zu Gunsten der ‚Kriegshilfe in Danzig‘ d. 26. Nov. 1914.“ Nach 1918 war er Mitglied der DNVP und seit 1920 deren Abgeordneter im Danziger Volkstag, dessen Präsident er 1921 war. Gesellschaft der Freunde der Technischen Hochschule Danzig, 1979, S. 149.
  5. Siehe die Daten bis zum Stellenantritt in Tübingen im Detail in UAT: 155/4030 in einem Schreiben Matthaeis an den Dekan der Medizinischen Fakultät Tübingen vom 10.1.1956. Aus gesundheitlichen Gründen leistete Matthaei keinen Wehrdienst und nahm nicht am Ersten Weltkrieg teil.
  6. UAT: 155/4030.
  7. Wittern 1999, S. 123f.
  8. Zum Problemzusammenhang und insbesondere zur sogenannten „Überfüllungskrise“ siehe Wolff 1997, S. 124-130.
  9. So bereits 1977 Adam, S.45; auch Kater 2000, S. 222f; ähnlich Grüttner 2013, S. 31-33, S.36.
  10. Laut Angaben in Matthaeis „Erklärung zum Meldebogen auf Grund des Gesetzes vom 5. März 1946“, im „Fragebogen der Militärregierung vom 11. August 1946“ sowie „Entwurf“ eines Schreibens zur Berufung gegen die Dienstentlassung vom 14.6.1945, in: UAT: 257/8 (Adressat nicht ersichtlich). Zum DAAV konnte weitere Literatur nicht ermittelt werden.
  11. Die Daten im Briefentwurf vom 14.6.1945 (wie Anm. 10). Der Parteieintritt ist mehrfach belegt in den Karteien des Berliner Document Centers, vgl. etwa BArch: BDC 3200 O 0045; siehe auch Schönhagen 1992, S. 388 Anm. 181; zum „Aufruf“ ebd., S. 391 Anm. 254.
  12. In der „Erklärung“ (wie Anm. 10) stellte Matthaei den Vorgang als quasi „organischen Übergang“ vom Engagement als Assistentenvertreter in parteiamtliche Funktionen dar. Zum Institut der „Vertrauensmänner“ und Matthaeis Stellung an der Universität siehe Daniels / Michl 2010, S. 46f sowie Grün 2010, S. 245.
  13. Zu Borries siehe: Daniels 2009, S. 40-47.
  14. Siehe Kurzbiographie.
  15. Adam 1977, S. 52-58.
  16. Zum Vorgang siehe Grüttner 2013, S. 32-34.
  17. In erster Linie ging es um das „politische (…) Zuverlässigkeitskriterium“, Adam, S.127.
  18. „Sonderbericht“ von Matthaei und Usadel vom 14.7.1934 in UAT: 205/56.
  19. Dokumentation des Streits in den Unterlagen des Rektoramtes UAT: 205/56. Dazu auch Grün 2010, S. 252 und Adam 1977, S. 127ff.
  20. Siehe Kurzbiographie.
  21. Adam 1977, S. 91f.
  22. Ulmer 2013, S. 17ff. Auf welchem Wege Matthaei Mitglied der Fraktion wurde, gibt es keine näheren Informationen.
  23. SAT Gemeinderatsprotokoll (GRP) vom 15.5.1933, S.397ff, der Beschluss auf S. 401. Die Tübinger Entscheidung gehört zu den frühesten vergleichbaren, sie war jedoch nicht der erste: siehe Motzkin 1983, S. 468 („Badeverbote“). Ähnlich gelagerte Beschränkungen (etwa das Verbot des Betretens der Sportanlagen für Juden in Köln im März 1933) bei Herbert 2014, S. 327-329.
  24. Mitteilungen in der Sitzung des Gemeinderats am 10.7.1933 SAT: GRP 1933, S. 684.
  25. SAT: GRP 1933, S.501-503; zum Beschluss erhoben wurde die Eingrenzung entsprechend Matthaeis Einlassung, ebd. S.503.
  26. SAT: GRP 1933, S.982ff, Beschluss, S.984.
  27. Im „Entwurf“ des Protestschreibens vom 14.6.1945 (wie Anm. 10) heißt es auf S. 4: „Krankheitsurlaub zum Sommersemester 34.“
  28. Eine Paraphrase der Ausführung von Oberbürgermeister Adolf Scheef (siehe Kurzbiographie ) zu Matthaeis Verabschiedung während der Sitzung des Gemeinderats am 25.3.1935 in der Tübinger Chronik vom 26.3.1935 (= Ausriss in UAT: 257/4).
  29. Insbesondere 1934 erlangten etliche der so genannten „Vertrauensleute“ an den Medizinischen Fakultäten einen Lehrstuhl. 1935 geschah dies nur noch selten (so vermutlich bei Matthaei), da die Hochschulkommission rasch an Einfluss verlor, siehe Grüttner 2013, S. 36. Eine Liste mit den Namen der Vertrauensleute an den Medizinischen Fakultäten mit „Geburtsjahr, Hochschule, Status im Dezember 1932, Beginn der NSDAP-Mitgliedschaft, Ordinariat“ auf S. 43 belegt anderenorts Parallelen mit Matthaeis Biographie bzw. Berufskarriere.
  30. Wendehorst 1993, S. 203 bzw. S. 200, dort als Beleg für Matthaeis Parteiengagement die beschriebenen Tübinger Aktivitäten sowie die Befürwortung von Gemeinschaftslagern und Dozentenakademien in Erlangen aufgeführt (S. 203).
  31. Eine Würdigung anlässlich seines Todes bei Richter 1976, dort auch eine Bibliographie seiner zahlreichen Veröffentlichungen zur Farbenlehre; vgl. auch Neue Deutsche Biographie 1990, S. 392.
  32. Etwa in der Aufstellung „Verhalten gegenüber der Partei“ (UAT: 257/4): „Ich beschränkte mich vielmehr auf die Interessen meines Berufskreises. Hier geriet ich früh in Widerspruch zur Partei. So kämpfte ich gegen […
  33. Siehe in UAT: 257/7 den Brief Roegeles von seinem Kriegseinsatz gegen die Sowjetunion vom 7.11.1941.
  34. „Erklärungen zum Meldebogen auf Grund des Gesetzes vom 5. März 1946“ vom 11.8.1946, S. 4 (UAT: 257/8), auch Wendehorst 1993, S. 203.
  35. Zu dem Streit zwischen Dr. Thomas Würtenberger (Professor für Strafrecht, Wendehorst 1993, S. 198) und dem Arzt Dr. Hans Albrecht Molitoris siehe BArch: BDA G 0049 Oberstes Parteigericht betr. Matthaei, Rupprecht. Am ausführlichsten zum Vorgang die Einlassungen von Molitoris vor dem Gaugericht Franken der NSDAP am 29.3.1944, ebd.
  36. „Erklärungen“ (wie Anm. 34), S. 4.
  37. Der Konfliktfall wird in der Zeugenaussage von Molitoris (vgl. Anm. 35) erwähnt, auch Wendehorst 1993, S. 215, laut dessen die von der Medizinischen Fakultät verfolgten Pläne zur Umstrukturierung auf den Druck der Partei zurückzuführen sind. Molitoris und Matthaei waren Gegner dieses Vorhabens.
  38. Spruchkammerspruch vom 25.6.1948 in UAT: 257/7. Dort weitere Unterlagen zum Entnazifizierungsverfahren Matthaeis, der 1947 als „Mitläufer“ eingestuft worden war. Dagegen legte er erfolgreich Widerspruch ein. Siehe auch Wendehorst 1993, S.232f.
  39. Wendehorst 1993, S. 233.
  40. Art. 131 des Grundgesetzes forderte den Bundesgesetzgeber auf, für die mit dem Untergang der nationalsozialistischen Herrschaft bzw. durch alliierte Verfügung ihrer Stellung im öffentlichen Dienst verlustig gegangen Beamten und Angestellten durch Gesetz Regelungen für eine Wiedereinstellung bzw. zur Wiederinkraftsetzung versorgungsrechtlicher Ansprüche zu finden. Durch seine letztendliche Einstufung als ‚Entlasteter‘ erhöhte Matthaei seine Chancen für eine Wiederverwendung im Hochschuldienst, nachdem das entsprechende Gesetz 1951 verabschiedet worden war. Laut Erlanger Tagblatt vom 21./22.2.1970 war Matthaei Vorsitzender des Landesverbandes einheimischer 131er Hochschullehrer in Bayern. Seine Bemühungen um Wiedereinstellung sind dokumentiert in UAT: 257/7, siehe Wendehost 1993, S.233.
  1. Adam, Uwe Dietrich, Hochschule und Nationalsozialismus: Die Universität Tübingen im Dritten Reich, Tübingen 1977.

  2. Daniels, Mario / Michl, Susanne, "Strukturwandel unter ideologischen Vorzeichen. Wissenschafts- und Personalpolitik an der Universität Tübingen 1933-1945“, in: Wiesing, Urban / Brintzinger, Klaus-Rainer / Grün, Bernd / Junginger, Horst / Michl, Susanne (Hg.), Die Universität Tübingen im Nationalsozialismus, Stuttgart 2010, S. 13-75.

  3. Daniels, Mario, Geschichtswissenschaft im 20. Jahrhundert. Institutionalisierungsprozesse und Entwicklung des Personenverbandes an der Universität Tübingen 1918-1964, Tübingen 2009.

  4. Gesellschaft der Freunde der Technischen Hochschule Danzig (Hg.), Beiträge und Dokumente zur Geschichte der der Technischen Hochschule Danzig 1904-1945, Hannover 1979.

  5. Grün, Bernd, "Die Medizinische Fakultät Tübingen im Nationalsozialismus. Überblick und Problematisierungen", in: Wiesing, Urban / Brintzinger, Klaus-Rainer / Grün, Bernd / Junginger, Horst / Michl, Susanne (Hg.), Die Universität Tübingen im Nationalsozialismus, Stuttgart 2010, S. 239-279.

  6. Grüttner, Michael, "Die Hochschulkommission der NSDAP", in: Ferdinand, Ursula / Kröner, Hans-Peter / Mamali, Joanna (Hg.), Medizinische Fakultäten in der deutschen Hochschullandschaft 1925-1950, Heidelberg 2013, S.29-43.

  7. Herbert, Ulrich, Geschichte Deutschlands im 20. Jahrhundert, München 2014.

  8. Kater, Michael, Ärzte als Hitlers Helfer, Hamburg / Wien 2000.

  9. Motzkin, Leo Reich (Hg.), Die Lage der Juden in Deutschland. Tatsachen und Dokumente: Das Schwarzbuch, Frankfurt 1983 (= Neuauflage der Ausgabe Paris 1934).

  10. o.N., "Matthaei, Rupprecht", in: Neue Deutsche Biographie Band 16, 1990, S. 391f.

  11. Richter, Manfred, "Rupprecht Matthaei – ein großer Erforscher des Sinneserlebnisses Farbe", in: Die Farbe 25 (1976), S. 210-215.

  12. Schönhagen, Benigna, Tübingen unterm Hakenkreuz: Eine Universitätsstadt in der Zeit des Nationalsozialismus, Stuttgart 1991.

  13. Ulmer, Martin, Zerstörte Demokratie. Zwangsweise ausgeschiedene Tübinger Stadträte 1933. Eine Dokumentation. Hrsg. von der Geschichtswerkstatt Tübingen e.V. Text: Martin Ulmer, Tübingen 2013.

  14. Wendehorst, Alfred, Geschichte der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen Nürnberg 1743-1993, München 1993.

  15. Wittern, Renate (Hsg.), Die Professoren und Dozenten der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg 1743-1969. Teil 2. Medizinische Fakultät (bearbeitet von Astrid Ley), Erlangen 1999.

  16. Wolff, Eberhard, "Mehr als nur materielle Interessen. Die organisierte Ärzteschaft im I. Weltkrieg und in der Weimarer Republik 1914-1933", in: Jütte, Robert (Hg.), Geschichte der deutschen Ärzteschaft. Organisierte Berufs- und Gesundheitspolitik im 19. und 20. Jahrhundert, Köln 1997, S. 97-142.

  1. Bundesarchiv (BArch): BDA G 0049.

  2. Bundesarchiv (BArch): BDC 3200 O 0045.

  3. Stadtarchiv Tübingen (SAT): Gemeinderatsprotokolle 1933.

  4. Universitätsarchiv Tübingen: UAT 155, Akademisches Rektorenamt, Personalakten der Assistenten.

  5. Universitätsarchiv Tübingen: UAT 255, Medizinische Fakultät (Klinische Medizin), Dekanatsakten und Promotionsakten.

  6. Universitätsarchiv Tübingen: UAT 257, Rupprecht Matthaei (1895-1976), Nachlass.