Kurzbiografie

Erich Ehrlinger

Erich Ehrlinger, Sohn von Christian Ehrlinger, Bürgermeister von Giengen an der Brenz, studierte ab November 1931 Rechtswissenschaften in Tübingen, Kiel und Berlin, danach wieder in Tübingen; dort war er Mitglied der Tübinger Königsgesellschaft Roigel. 1931 trat Ehrlinger in die NSDAP und SA ein. Während der "Machtergreifung" war er einer der führenden nationalsozialistischen Aktivisten in Tübingen und treibende radikalisierende Kraft. Im Mai 1933 legte er das Erste juristische Staatsexamen ab und war anschließend Gerichtsreferent am Amtsgericht Tübingen. Im Juni 1933 war er Abteilungsleiter des SA-Sportlagers Feldstetten. 1934 gab er seine juristische Berufslaufbahn auf und wurde hauptamtlicher SA-Funktionär. Im Juli 1934 stieg er zum Leiter der SA-Sportschule "Burg Rieneck" bei Würzburg auf. 1935 wechselte er zum Sicherheitsdienst (SD) und zur SS und übernahm die Führung des SD Nürnberg und Fürth. Ab September 1935 erfolgte sein Einsatz im Berliner SD-Hauptamt mit Hilfe des dortigen Presseleiter Franz Six (1909-1975). 1938 wurde Ehrlinger Einsatzkommandoführer in Österreich, 1939 in Prag und Polen, 1941 in der Sowjetunion sowie Leiter des SD beim Kommandeur der Sicherheitspolizei und des SD (KdS) in Warschau. 1940 hielt Ehrlinger sich im Auftrag Heinrich Himmlers in Norwegen auf, um eine norwegische Waffen-SS aufzubauen. Ab Dezember 1941 war er Befehlshaber der Sicherheitspolizei und des SD in Minsk. Im Frühjahr 1944 kehrte er nach Berlin zurück und übernahm die Leitung des Reichssicherheitshaumptes (RSHA). Im November 1944 wurde Ehrlinger von Heinrich Himmler zum SS-Oberführer befördert. Als Einsatzgruppenleiter in der Sowjetunion und Kommandeur der Sicherheitspolizei und des SD war Ehrlinger direkt am Massenmord an den osteuropäischen Juden beteiligt. Nach 1945 tauchte er unter. 1952 ließ er sich scheiden und heiratete ein zweites Mal; hierbei gab er seinen richtigen Namen an. 1954 wurde er Leiter der Volkswagenvertretung in Karlsruhe. 1958 erfolgte seine Festnahme und 1961 sein Prozess, der 12 Jahre Zuchthaus wegen der Beihilfe zum Mord in 1045 Fällen und eines versuchten Mordes vorsah; wegen dauernder Verhandlungsunfähigkeit wurde das Verfahren eingestellt und Ehrlinger 1965 entlassen.

  1. Ingrao, Christian, Hitlers Elite. Die Wegbereiter des nationalsozialistischen Massenmords, übersetzt von Heinemann, Enrico / Schäfer, Ursel Schäfer, Bonn 2012.

  2. Junginger, Horst, "Tübinger Exekutoren der Endlösung. Effiziente Massenmörder an vorderster Front der SS-Einsatzgruppen und des Sicherheitsdienstes" <homepages.uni-tuebingen.de/gerd.simon/exekutoren.pdf> (letzter Zugriff 28.04.2020).

  3. Stadlbauer, Peter, "Vater und Sohn Ehrlinger. Politik, Weltanschauung und strafrechtliche Verfolgung zweier NS-Belasteter aus Ostwürttemberg: Christian und Erich Ehrlinger", in: Proske, Wolfgang (Hg.), Täter – Helfer – Trittbrettfahrer. NS-Belastete von der Ostalb Band 1, Gerstetten 2016, S. 87-123.

  4. Wildt, Michael, "Erich Ehrlinger: Ein Vertreter 'kämpfender Verwaltung'", in: Klaus-Mallmann, Michael, / Paul, Gerhard (Hg.), Karrieren der Gewalt. Nationalsozialistische Täterbiographien, Darmstadt 2004, S.76-85.

  5. Wildt, Michael, "Von der Universität ins Reichssicherheitshauptamt. Tübinger Exekutoren der 'Endlösung'", in: Wiesing, Urban / Brintzinger, Klaus Rainer / Grün, Bernd / Junginger, Horst / Michl, Susanne (Hg.), Die Universität Tübingen im Nationalsozialismus, Stuttgart 2010, S. 791-807.

  6. Wildt, Michael, Generation des Unbedingten. Das Führungskorps des Reichssicherheitshauptamtes, Hamburg 2003.