Kurzbiografie

Helmut Weihenmaier

Helmut Weihenmaier studierte von 1924 bis 1929 Rechtswissenschaft in Tübingen; das Erste Staatsexamen legte er in Tübingen, das Zweite 1933 in Stuttgart ab. Er war Mitglied der Verbindung Normannia. Nach Rechtsanwaltstätigkeit in Nürtingen war er ab 1934 an verschiedenen Landratsämtern tätig: Urach, Reutlingen, Crailsheim, Esslingen. 1936 wurde Weihenmaier zum Regierungsrat ernannt, ab 1937 war er Amtsverweser bzw. stellvertretender Amtsverweser in Esslingen. Am 30. April 1933 trat er der NSDAP, am 1. November 1933 der SA bei. Von Oktober 1939 bis Juli 1944 war Weihenmaier Kreishauptmann (entspricht in etwa einem Landrat) in Zamość im "Generalgouvernement", dem vom Deutschen Reich besetzten Teil Polens. Von Juli bis August 1944 war er Leiter einer "Abwicklungsstelle" und hatte dort wahrscheinlich Berichte über die Besatzungspolitik in Polen zu verfassen. Außerdem war er in Zamość unter anderem zuständig für die Erfassung und Ghettoisierung, auch in Arbeitslagern, von Juden und die Aussonderung der Arbeitsfähigen aus der Gruppe der zu deportierenden Juden. Er wirkte wohl auch bei der Vertreibung von Polen und der Ansiedlung von "Volksdeutschen" mit. Was in dem im Kreis Zamość gelegene Vernichtungslager Bełżec vor sich ging, war ihm bekannt. Es handelte sich bei Zamość um ein "Germanisierungs"-Musterprojekt im Rahmen des "Generalplan Ost", das im Laufe des Jahres 1943 wegen starker Zunahme der Aktivitäten von Partisanen eingestellt wurde. Die Stadt hätte später "Himmlerstadt" heißen sollen. Von September 1944 bis März 1945 war er Amtsverweser im Landratsamt Saarlouis. Weihenmaier fand dann von März bis April 1945 Verwendung beim Landratsamt Reutlingen. Bis 1946 wurde er insgesamt sieben Monate interniert. Bis 1948 Rechtsanwaltsgehilfe und Gelegenheitsarbeiter, war Weihenmaier 1948/49 Angestellter beim Wirtschaftsministerium (Süd-)Württemberg-Hohenzollern in Tübingen. Im Juli 1948 wurde er in seinem Spruchkammerverfahren als "Mitläufer" eingestuft. Im Dezember 1949 erfolgte seine Ernennung zum Oberregierungsrat im Wirtschaftsministerium. Nach dessen Auflösung wurde Weihenmaier in das Regierungspräsidium Tübingen übernommen. Dort wurde er im Januar 1955 Regierungsdirektor als Leiter der Abteilung Wirtschaft des Regierungspräsidiums. Im Oktober desselben Jahres erfolgte seine Wahl zum Stadtdirektor in Tübingen und im Juli 1956 seine Wahl zum Ersten hauptamtlichen Beigeordneten. 1960 wurde Weihenmaier die damals neugeschaffene Bürgermedaille Tübingens verliehen. Von 1960 bis 1971 war er Landrat in Freudenstadt. Ein Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft Wiesbaden gegen Helmut Weihenmaier wurde im Juli 1974 eingestellt. Nach Auffassung der Staatsanwaltschaft konnte ihm nicht nachgewiesen werden, gewusst zu haben, dass die Juden, an deren Deportation er mitgewirkt hatte, ermordet werden sollten. Anlässlich seines Ausscheidens aus dem Tübinger Rathaus 1960 wurde ihm die neugeschaffene Bürgermedaille der Stadt Tübingen in Silber verliehen.

  1. "Silbermedaille für Helmut Weihenmaier. Stadtverwaltung und Gemeinderat danken dem scheidenden Mitarbeiter, Freund und Vorgesetzten", in: Schwäbisches Tagblatt vom 01.06.1960.

  2. Berger, Sara, Experten der Vernichtung. Das T4-Reinhardt-Netzwerk in den Lagern Belzec, Sobibor und Treblinka, Hamburg 2013.

  3. Krawinkel, Niklas, Belastung als Chance. Hans Gmelins politische Karriere im Nationalsozialismus und in der Bundesrepublik Deuschland, Göttingen 2020.

  4. Krawinkel, Niklas, Gesandtschaftsrat, Volkstumsreferent und Tübinger Oberbürgermeister. Hans Gmelin (1911-1991). Forschungsbericht, 2018 <tuebingen.de/gemeinderat/getfile.php> (letzter Zugriff 28.04.2020).

  5. Madajcik, Czesław (Hg.), Zamojszczcizna, Sonderlaboratorium SS. Zbiór dokumentów polskich i niemeckich z okresu okupacji hitlerowskiej, 2 Bände, Warschau 1977.

  6. Markiewicz, Jerzy, Nie dali ziemi skąd ich ród. Zamojszczyzna 27 XI 1942-31 XII 1943, Lublin 1967.

  7. Musial, Bogdan, Deutsche Zivilverwaltung und Judenverfolgung im Generalgouvernement. Eine Fallstudie zum Distrikt Lublin 1939-1944, Wiesbaden 1999.

  8. Pohl, Dieter, Von der "Judenpolitik" zum Judenmord. Der Distrikt Lublin des Generalgouvernements 1939-1944, Frankfurt am Main u.a. 1993.

  9. Roth, Markus, "Eine deutsche Beamtenkarriere im 'Zeitalter der Extreme' – Helmuth Weihenmaier", in: Proske, Wolfgang (Hg.), Täter. Helfer. Trittbrettfahrer: NS-Belastete aus dem östlichen Württemberg, Reutlingen 2014, S. 236-243

  10. Roth, Markus, Herrenmenschen. Die Kreishauptleute im besetzten Polen – Karrierewege, Herrschaftspraxis und Nachgeschichte, Göttingen 2009.

  11. Rüggeberg, Jens, "Laudatio auf den Preisträger des Alfred-Hausser-Preises 2016: Geraubte Kinder – vergessene Opfer e.V.", in: VVN-BdA Landesvereinigung Baden-Württemberg, 2016 <bawue.vvn-bda.de/2016/11/29/alfred-hausser-preis-fuer-geraubte-kinder-vergessene-opfer>, als PDF hier: <docplayer.org/51913152-Alfred-hausser-preis-laudatio-auf-den-preistraeger-geraubte-kinder-vergessene-opfer-e-v.html>.

  12. Rüggeberg, Jens, "Vom Nazidiplomaten zum Nachkriegsoberbürgermeister. Hans Gmelin und die Vergangenheit, die nicht vergeht", in: VVN-BdA Kreisvereinigung Tübingen-Mössingen 2011 <tuebingen.vvn-bda.de/2017/12/12/vom-nazi-diplomaten-zum-nachkriegsoberbuergermeister-hans-gmelin-und-die-vergangenheit-die-nicht-vergeht> (letzter Zugriff 28.04.2020).

  13. Universitätsstadt Tübingen, Verwaltungsbericht 1955-1960, o.O. o.J (Tübingen 1960), S. 20 <tuebingen.de/Dateien/Verwaltungsbericht_1955_1960.pdf> (letzter Zugriff: 22.11.2020).

  1. Stadtarchiv Tübingen (SAT): A 510. Personalakte Helmut Weihenmaier.