Kurzbiografie

Hans Gmelin

Hans Gmelin entstammte einer alteingesessen Tübinger Familie, die zur württembergischen "Ehrbarkeit" gehört hatte. Sein Vater Oskar Gmelin war Amtsrichter und später Direktor des Tübinger Amtsgerichts sowie des Erbgesundheitsgerichts. Hans Gmelin besuchte das humanistische Gymnasium in Tübingen. Nach dem Abitur 1930 studierte er bis 1934 Jura in Tübingen und München. 1934 legte er das Referendar- und 1937 das Assessorexamen ab. Von 1923 bis 1931 war er Mitglied im "Jungdeutschlandbund" und 1931 bis 1933 im paramilitärischen "Stahlhelm". Zusammen mit seinem Bruder Ulrich Gmelin und Eugen Steimle war er Mitglied der Verbindung "Normannia" (sein Vater Oskar Gmelin war dort "Alter Herr"). 1933 trat Gmelin der SA bei (Beförderungen: 1936 Hauptsturmführer, 1938 Sturmbannführer, 1941 Obersturmbannführer, 1943 Standartenführer). 1933/1934 war er Mitglied des Nationalsozialistischen Deutschen Studentenbunds (NSDStB) und gehörte dem "Stab Landesführer Württemberg" an. Am 1. Mai 1937 wurde er als Mitglied in die NSDAP aufgenommen und 1938 in die Nationalsozialistische Volkswohlfahrt (NSV). Ab 1938 arbeite er als Hilfsreferent im Reichsjustizministerium. Von September bis Oktober 1938 nahm er an der Besetzung des "Sudetengebiets" als Führer der Kompanie "Hanns Ludin" des "Sudetendeutschen Freikorps" teil. Am 1. Juni 1939 wurde er Landgerichtsrat in Berlin. Von dieser Position wurde er zwecks Tätigkeit bei der SA-Gruppe Südwest beurlaubt. 1939 heiratete er Helge Jordan, eine Tochter des ehemaligen Marineoffiziers und Tübinger Buchhändlers Richard Jordan (Buchhandlung Osiander). Ab dem 26. August 1939 leistete er als Oberleutnant der Reserve Militärdienst bei der 78. Infanteriedivision. Ab dem 13. Januar 1941 gehörte er der Deutschen Gesandtschaft Preßburg (Bratislava/Slowakei) als Adjutant des Gesandten Hanns Ludin (1905-1947) an. Dort war er seit dem 14. Juli 1941 "Volkstumsreferent" im Range eines Legationssekretärs (am 14. Juli 1942 Beförderung zum Gesandtschaftsrat); zu seinen weiteren Zuständigkeiten gehörten Protokoll, Organisation, Personalwesen sowie Beteiligung an der Rekrutierung "Sudetendeutscher" zur Waffen-SS. An der Ausgrenzung, Entrechtung und Deportation slowakischer Juden war er beteiligt. Während des Slowakischen Nationalaufstands 1944 war er Verbindungsmann der Gesandtschaft zum "Deutschen Befehlshaber" Gottlob Berger. Nahm nach eigenen Angaben an zwei Besuchen des slowakischen Präsidenten Joszef Tiso (1887-1947) im "Führerhauptquartier" teil. Von 1945 bis 1948 befand er sich zuerst in US-amerikanischer, dann in französischer Internierung, überwiegend in Balingen. Ab 1949 war er in der Wirtschaftsverwaltung von (Süd-)Württemberg-Hohenzollern tätig. 1952 wurde er als Referent im Wirtschaftsministerium (zuletzt Oberregierungsrat) beschäftigt. Von 1955 bis 1975 amtierte Gmelin als Oberbürgermeister von Tübingen. Er hatte etliche Ehrenämter inne; so war er von 1961 bis 1975 Präsident des Württembergischen Landessportbunds, wurde 1964 Vorsitzender, 1983 Ehrenvorsitzender des "Kameradenhilfswerk der 78. Infanterie- und Sturmdivision e.V." 1975 wählte ihn der Tübinger Gemeinderat zum Ehrenbürger Tübingens, 2018 erkannte er ihm die Ehrenbürgerwürde wieder ab.

  1. Krawinkel, Niklas, Belastung als Chance. Hans Gmelins politische Karriere im Nationalsozialismus und in der Bundesrepublik Deutschland, Göttingen 2020.

  2. Krawinkel, Niklas, Gesandtschaftsrat, Volkstumsreferent und Tübinger Oberbürgermeister. Hans Gmelin (1911-1991). Forschungsbericht, 2018, <tuebingen.de/gemeinderat/vo0050.php> (letzter Zugriff: 7.9.2020).

  3. Rüggeberg, Jens, "Vom Nazidiplomaten zum Nachkriegsoberbürgermeister. Hans Gmelin und die Vergangenheit, die nicht vergeht", in: Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes - Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten Kreisvereinigung Tübingen-Mössingen (Hg.), 2011, <tuebingen.vvn-bda.de/2017/12/12/vom-nazi-diplomaten-zum-nachkriegsoberbuergermeister-hans-gmelin-und-die-vergangenheit-die-nicht-vergeht> (letzter Zugriff: 4.3.2019).

  4. Tönsmeyer, Tatjana, Das Dritte Reich und die Slowakei 1939-1945. Politischer Alltag zwischen Kooperation und Eigensinn, Paderborn u.a. 2003.