Kurzbiografie

Robert Ritter

Robert Ritter studierte von 1921 bis 1929 an den Universitäten Bonn, Tübingen, Marburg, München, Berlin, Heidelberg und Kristiania (Norwegen) verschiedene Fächer, vor allem jedoch Medizin, und wurde 1927 zum Dr. phil., 1930 zum Dr. med. promoviert. Ab 1931 war er als Assistenzarzt an der Psychiatrischen Universitätsklinik Zürich-Burghölzli, ab April 1933 an der Universitätsnervenklinik Tübingen tätig. Ab 1934 war er parallel dazu Leiter der Rassenhygienischen Eheberatungsstelle Tübingen. Im August 1936 wurde er Leiter der Rassenhygienischen und Bevölkerungsbiologischen Dienststelle (später: Forschungsstelle, RHF) des Reichsgesundheitsamts in Berlin sowie ab 1940 Lehrbeauftragter für Kriminalbiologie an der Berliner Universität. 1937 erschien seine Habilitationsschrift "Ein Menschenschlag". Ritters Dienststelle, zu deren MitarbeiterInnen auch Sophie Ehrhardt gehörte, erfasste über 23.000 Sinti und Roma im gesamten Deutschen Reich; die Listen dienten ab 1943 als Grundlage für Deportationen nach Auschwitz. Ab 1941 übernahm er nebenamtlich die wissenschaftlicher Leitung des Kriminalbiologischen Instituts der Sicherheitspolizei, das unter anderem für die Blockeinteilung der "Jugendschutzlager" Moringen und Uckermark verantwortlich war. 1944 wurde die Rittersche Forschungsstelle kriegsbedingt in die Pflegeanstalt Mariaberg bei Reutlingen verlagert. 1944/45 war Ritter Lehrbeauftragter an der Universität Tübingen. Im Urteil der Spruchkammer wurde er 1945 als "Mitläufer" eingestuft. Im August 1947 übernahm Robert Ritter die ärztliche Leitung der 'Fürsorgestelle für Gemüts- und Nervenkranke' sowie der Jugendpsychiatrie am Stadtgesundheitsamt in Frankfurt am Main.

  1. Fings, Karola, "Die 'Gutachtlichen Äußerungen' der Rassenhygienischen Forschungsstelle und ihr Einfluss auf die nationalsozialistische Zigeunerpolitik", in: Zimmermann, Michael (Hg.), Zwischen Erziehung und Vernichtung. Zigeunerpolitik und Zigeunerforschung im Europa des 20. Jahrhundert, Stuttgart 2007, S. 425-459.

  2. Lang, Hans-Joachim, "'Ein schöner Einblick in die Forschungsarbeit'. Vorbereitende Beiträge Tübinger Wissenschaftler für die Zwangssterilisation und Ermordung deutscher Sinti", in: Hägele, Ulrich (Hg.), Sinti, Roma und Wir. Ausgrenzung, Internierung und Verfolgung einer Minderheit, Tübingen 1998, S. 75-90.

  3. Oesterle, Anka, "Verwischte Spuren – Robert Ritter. Eine biografische Rückblende", in: Hägele, Ulrich (Hg.), Sinti, Roma und Wir. Ausgrenzung, Internierung und Verfolgung einer Minderheit, Tübingen 1998, S. 37-74.

  4. Rosenhaft, Eva, "Wissenschaft als Herrschaftsakt. Die Forschungspraxis der Ritterschen Forschungsstelle und das Wissen über Zigeuner", in: Zimmermann, Michael (Hg.), Zwischen Erziehung und Vernichtung. Zigeunerpolitik und Zigeunerforschung im Europa des 20. Jahrhundert, Stuttgart 2007, S. 329-353.

  5. Schmidt-Degenhard, Tobias, "'Kleinkarierter Größenwahn' - zur 'ärztlichen' Karriere des Dr. Dr. Robert Ritter", in: Wiesing, Urban / Brintzinger, Klaus-Rainer / Grün, Bernd / Junginger, Horst / Michl, Susanne (Hg.), Die Universität Tübingen im Nationalsozialismus, 2010, S. 833-852.

  6. Schmidt-Degenhard, Tobias, Vermessen und Vernichten. Der NS-'Zigeunerforscher' Robert Ritter, Stuttgart 2012.