Langbiografie

Hermann Schwarz

In vier Jahren mehr als 85 Todesfälle unter dem "guten Deutschen": Hermann Schwarz (1896-1982), Strafanstaltsleiter in Rottenburg

Hermann Schwarz, der Rottenburger Strafanstaltsleiter der späteren NS-Zeit, wurde bisher an keiner Stelle thematisiert. Zwar liegt seit 2017 Die Chronik des Rottenburger Gefängnisses1 vor, doch wird Schwarz darin vor allem wegen der Zeitungsberichte über die Rastatter Prozesse von 1947 erwähnt. Kriegseinwirkungen vernichteten amtliche Akten, sodass nur die Entnazifizierungsakte im Landesarchiv und Schreiben zu Gnadenersuchen im Bundesarchiv für Recherchen zur Verfügung stehen.

Am Rottenburger "Gefängnis für Erstbestrafte" mit seiner "besonderen Jugendabteilung"2 hatte sich seit 1925 der Jurist Karl Lupfer (geb. 1887) für einen "modernen Erziehungsstrafvollzug"3 im Auftrag der Weimarer Regierung4 eingesetzt. In seinem Lebenslauf zog er 1946 folgende Bilanz: "Die Verreichlichung der Justiz unter dem Nationalsozialismus [hemmte mein] Werk, und der neue Krieg brachte es schließlich zur Einstellung."5 Denn schon im März 1933 verabschiedete sich der NS-Staat von der Rechtsstaatlichkeit: "Und es soll jeder für alle Zukunft wissen, dass, wenn er die Hand zum Schlage gegen den Staat erhebt, der sichere Tod sein Los ist."6 So Adolf Hitler, und nicht nur er legitimierte damit Terror und Gewalt selbst mit Todesfolge. Strafe als Vergeltung und Abschreckungsmittel füllte die Rottenburger Anstalt schon im März 1933 mit sogenannten "Schutzhäftlingen". Immer neue Gesetze zur Vernichtung durch Arbeit, Krankheit, Nahrungsentzug und Gewaltmaßnahmen7 missachteten zunehmend die Menschenrechte. Als mit Kriegsbeginn 1939 das Kriegssonder- und Kriegswirtschaftsstrafrecht wie auch neue Verbraucherregelungen entstanden und die Zahl der ausländischen Arbeitskräfte zunahm, stieg auch die Zahl der "fremdvölkischen"8 Gefangenen rapide. In den Krieg eingezogenes versiertes Wachpersonal wurde durch SA und begnadigte Kriminelle ersetzt.9 Die geringen Verpflegungsrationen der KZ-Insassen galten seit 1938 nun auch für Strafgefangene10 trotz der Arbeitsverpflichtung und Arbeitszeitverlängerung auf bis zu täglich zwölf Stunden. Außenarbeitskommandos aus politischen Gefangenen schufteten in Fabriken in Tübingen und Rottenburg sowie im landeseigenen und städtischen Steinbruch.11

Als Leiter von Strafanstalten konnten sich "zielstrebige, durchsetzungsfähige, rücksichtslose und häufig äußerst fähige 'Technologen der Macht'"12 durchsetzen. "Beginnend mit dem Jahre 1938, wurde [dem Juristen Lupfer] im Wege der Abkommandierungen die Leitung des Strafgefängnisses Rottenburg aus der Hand gewunden"13 und seinem Stellvertreter, Verwaltungsleiter Hermann Schwarz,14 überantwortet.

Hermann Schwarz wurde am 12. Februar 1896 in Ludwigsburg in eine protestantische Mittelstandsfamilie hineingeboren.15 Der Vater, ein Gerichtsvollzieher, ermöglichte ihm eine Ausbildung im gehobenen Verwaltungsdienst. Der 18jährige Hermann Schwarz strebte eine Offizierslaufbahn an und kehrte 1917 zwar dekoriert, aber zu 70 % verletzt aus dem Krieg zurück.16 In Stuttgart legte er 1920 die Dienstprüfung für den gehobenen Justizdienst ab. Bereits 1922 erfolgte die Ernennung zum planmäßigen Inspektor und 1923 zum Beamten auf Lebenszeit. 1925 heiratete Hermann Schwarz. Als Inspektor kam er 1928 ans Frauengefängnis Gotteszell in Schwäbisch Gmünd,17 an dem die politische Polizei im März 1933 eine separate Schutzhaftabteilung für 80 Frauen einrichtete.18 1936 folgte dann die Versetzung an die Strafanstalt Rottenburg als Leiter der Verwaltung und stellvertretender Vorstand sowie die Beförderung zum Rechnungsrat. Seit 1941 nannte er sich Anstaltsleiter und wurde 1944 Verwaltungsamtmann.19

Die antidemokratischen, militaristischen, antisozialistischen und auch teilweise fehlenden rechtsstaatlichen Regeln im Kaiserreich zu akzeptieren, schien für den jungen Hermann Schwarz kein Problem gewesen zu sein, ebenso wenig das militaristisch geprägte Männlichkeitsbild eines "guten Deutschen".20 Er schloss sich den nationalistischen Kriegervereinen und seit 1911 der Deutschen Turnerschaft an. Bis 1933 war er Mitglied der Deutschnationalen Volkspartei (DNVP).21 Seine Untergebenen in Rottenburg erlebten und beschrieben ihn als "guten Deutschen" und sahen deshalb in ihm einen überzeugten Nationalsozialisten. Dagegen beschrieb er selbst seine Beziehung zur Partei als problematisch. Zur Mitgliedschaft in der NSDAP musste er 1937 aufgefordert werden.22 1936 schloss er sich den "Deutschen Christen" (DC) an und trat 1940 aus der Evangelischen Kirche aus.23 Er war Mitglied in der NS-Volkswohlfahrt (NSV) und im NS-Rechtswahrerbund (NSRB).24

Hermann Schwarz’ Karriere im NS-Staat wurde weniger durch eine von der NS-Ideologie überzeugte Mitgliedschaft in der Partei als vor allem durch stark ausgeprägte, zum NS-System passende Charaktereigenschaften befördert. Obwohl er mit seiner deutschnationalen Einstellung weitgehend auf der Linie der NSDAP lag, staunte er dennoch, "dass man, wenn man ein guter Deutscher ist, zum Nazi gestempelt werden soll. Guter Deutscher war ich schon von Jugend an."25 Sein mit seiner militaristischen Sozialisierung und seinem opportunistischen Verhalten verbundener Drang zu gesellschaftlichem Aufstieg waren beste Voraussetzungen für jede Karriere, gerade auch im NS-Staat.

Nach Schwarz’ Amtsantritt in der Strafanstalt wurden ab 1941 "bereits genehmigte Mittel für Neubauten zurückgenommen und der Weiterbau der Strafanstalt stillgelegt".26 Der Anteil der politischen Häftlinge aller Nationalitäten, die "einen sehr hohen Prozentsatz der gesamten Anstaltsbelegschaft ausmachten"27 wuchs zu einem "bedeutenden Anteil der Gesamtbelegung", der mit den "kriminellen Gefangenen zusammengebracht"28 wurde.

Vom kalten Winter 1944 berichtete ein Zeitzeuge, dass Gefangene beim Schneeräumen in den städtischen Straßen abgemagert, ausgehungert und nicht ausreichend bekleidet waren: "Einige Häftlinge stürzten sich auf einen der unappetitlichen Kübel und begannen, wie heißhungrige Wölfe das Unterste nach oben zu kehren. Dabei mussten sie irgendetwas Essbares gefunden haben, das sie in größter Eile in sich hineinfraßen. Genau zu der Zeit [tauchte] der mit einem Stock bewaffnete [Schwarz] auf. 'Tiere seid ihr, keine Menschen! Euch werd ich!' schrie der Wütende und schlug mit dem Stock auf die Hungrigen ein, so dass sie laut aufschrien und in wahnsinniger Angst zu ihren Schaufeln eilten."29

Schwarz zwang sein Personal, bei den meisten Häftlingen ein Übermaß an harter Arbeit unter schwersten Bedingungen durchzusetzen. Die Beispiele belegen die Härte ebenso wie diese wohlwollende Aussage eines ehemaligen Mitarbeiters: "Sowohl den Anstaltsbeamten als auch den Gefangenen gegenüber war Amtmann Schwarz sehr streng, aber unbedingt gerecht. Seine Autorität hat nie versagt, auch ließ ihm nach meinen Wahrnehmungen seine strenge Dienstauffassung eine Abweichung von den gegebenen Vorschriften nicht zu."30 Bei Widerstand und nicht erfülltem Arbeitssoll von Gefangenen veranlasste Schwarz bis zu 28 Tage lang Strafen wie Kerkerhaft ohne Heizung, ohne Liegemöglichkeit am Tag und minimale Essensgabe.31

Einer der ab Herbst 1944 nach Rottenburg verlegten litauischen Häftlinge berichtete: "Ich war Strafgefangener im Emslandlager. Im Juli 1944 kam ich mit einem etwa 220 Mann starken Transport von Papenburg über Münster und Osnabrück nach Rottenburg."32

Dieser Transport muss im Zusammenhang mit folgender Information aus dem Jahr 1937 gesehen werden: Nachdem der württembergische Staatssekretär Karl Waldheim das Strafgefangenenlager im Emsland besucht hatte, bewertete er den dort beobachteten KZ-ähnlichen Strafvollzug gegenüber Roland Freisler, damals Staatssekretär im Reichsjustizministerium, in dieser Weise: "Ich war erfreut über den Erfolg des neuartigen Strafvollzugs."33 Es war ihm bewusst, dass es schwierig sein würde, für einen derart unmenschlichen Strafvollzug Wachpersonal und einen dazu bereiten Anstaltsleiter zu bekommen. In Schwarz hatte er ihn gefunden. Als der nach 1945 dafür zur Verantwortung gezogen wurde, verfälschte er die Zusammenhänge wie folgt: "Der Generalstaatsanwalt und ich haben die Litauer nicht verlangt. RJM [Reichsjustizministerium] – genauer gesagt der Ministerialrat Dr. Nörr vom RJM – hat diese Menschen in letzter Minute vor dem Einmarsch der Russen noch aus Kowno nach Deutschland abschieben lassen. Wer sie von Stettin nach Süddeutschland hat abschieben lassen, entzieht sich meiner Kenntnis."34

Da die Stellenbewertung und damit die Besoldung der Strafanstaltsvorstände sich nicht mehr nach der "strafvollzugstechnischen und wirtschaftlichen Bedeutung der Anstalt" sondern nur noch "rein nach der Belegungsfähigkeit"35 richtete, standen einer Überbelegung Tür und Tor offen, ohne Berücksichtigung der Standards bei Hygiene, medizinischer Versorgung und der Essensrationen.36 Noch 1947 vertrat Schwarz vor dem Rastatter Gericht weiterhin skrupellos, dass "350˗500 g Brot pro Tag und eine Suppe mit wenig Nährwert"37 ausreichend für den Existenzerhalt eines Menschen seien. Ein Zeuge ergänzte: "Die pol[itischen] Häftlinge waren sichtlich unterernährt und mager gewesen. Bei unzureichender Arbeit entzog das Wachpersonal das Essen, hauptsächlich bei den Steinbrucharbeitern, wo sich die meisten politischen Häftlinge befanden."38 Im Krankenrevier fehlten Medikamente, Raum und Personal. In kalten Wintern reichte das Heizmaterial nicht, 1944 fiel die Heizung ganz aus. Im Rastatter Urteil wurde der Gefängnisalltag so beschrieben: "Es war den Gefangenen nicht möglich, eine Beschwerde über das Revier wegen des jähzornigen und heftigen Charakters des Direktors Schwarz abzufassen. Misshandlungen von Gefangenen duldete er und ordnete sie selbst an. Die Weitergabe von Anzeigen der Vorerwähnten an die vorgesetzten Dienststellen verweigerte er."39

Eindrücklich ist das Schicksal von August Ruf (1869-1944), dem Stadtpfarrer von Singen, der zu sechs Monaten Haft verurteilt war. Trotz Haftunfähigkeit wurde der 74jährige Gehbehinderte am 11. Dezember 1943 "wegen Beihilfe zum unerlaubten Grenzübertritt" ins Gefängnis nach Rottenburg befohlen. Er saß anfangs allein in der ungeheizten Zelle, wo er nicht auf die hohe Pritsche kam und deshalb auf dem kalten Fußboden schlief. Das wurde ihm als "Widersetzlichkeit" ausgelegt. Er bekam auch Schläge und begann zu erblinden. Vergeblich bat er um Prüfung seiner Haftfähigkeit. Anfang März hatte er bereits 30 Pfund abgenommen und litt an Schwächezuständen und Schwindelanfällen.40 "Als absehbar war, dass der kranke alte Mann die Haft nicht überleben würde, entließ man August Ruf am 29. März 1944."41 Fast erblindet und todkrank wurde schließlich erlaubt, ihn nach Freiburg ins Vincentius-Krankenhaus zu bringen, "wo er kurz darauf am 8. April 1944 an den Haftfolgen starb".42

Schwarz verfälschte und beschönigte die Fakten auch in diesem Fall: "Büttgen", – das war der Gefängnisarzt, den er sonst "Lump" und "Versager" nannte, – "war in der Bescheinigung der Haftunfähigkeit nicht kleinlich, wir haben so manchen Gefangenen zusammen auf diese Weise rausgebracht. So z. B. einen kath. Geistlichen aus der Gegend von Singen, den die Staatsanwaltschaft Freiburg, trotzdem Bestätigung der Haftunfähigkeit vorlag, einfach nicht freigab. Ich ließ den Mann dann kurzerhand ins Städt[ische] Spital in Rottenburg verbringen, die Verpflegungskosten daselbst wurden vom Gefängnis übernommen."43

Kurz vor der Besetzung Rottenburgs durch französche Truppen im April 1945 wurde die Mehrzahl der Häftlinge zu Fuß in das Außenlager der Justizanstalt Ravensburg, Schloss Bettenreute, evakuiert. Entwichenen Häftlingen gelang es, US-amerikanische Soldaten zu ihrem Versteck zu führen. Daraufhin wurde Hermann Schwarz am 13. Mai 1945 verhaftet und ins Internierungslager Zuffenhausen überstellt.44 Wegen Anschuldigungen gegen das ehemalige Gefängnispersonal kam auch Hermann Schwarz am 6. Juni 1946 in Reutlingen in französische Untersuchungshaft. Er und weitere 15 Mitarbeiter wurden vor dem französischen Militärgericht (Tribunal Général) in Rastatt angeklagt. Wie sieben weitere Mitarbeiter wurde Schwarz am 18. Februar 1947 wegen "Verbrechen gegen die Menschlichkeit" verurteilt. Die Staatsanwaltschaft forderte für ihn die Todesstrafe.45 Verurteilt wurde Schwarz letztlich zu 15 Jahren Gefängnis mit Zwangsarbeit. Ab dem 1. April 1947 verbüßte er "die franz[ösische] Strafe", die er nie anerkannte, im "Kriegsverbrechergefängnis" in Wittlich.46 Gnadenersuche und eine Amnestie verkürzten und beendeten seine Haftzeit an Ostern 1952.47

Als ihn Mitte 1950 die Spruchkammer in Tübingen als "Belasteter mit allen Konsequenzen" einstufte, wehrte Schwarz sich erfolgreich. Neben seiner Ehre und Beamtenpension ging es um den Unterhalt für seine Familie. 1951 wurde das Verfahren mit der Begründung eingestellt, "dass das Beweisergebnis nicht voll ausreicht, den Betroffenen in die Gruppe der Belasteten einzustufen".48 Seine Beamtenrechte blieben ihm damit erhalten.

Nach seiner Entlassung kehrte er zu seiner Familie nach Schwäbisch Gmünd zurück und bemühte sich um eine Rente als Kriegsversehrter, Kriegsgefangener, Spätheimkehrer und um eine Wiedereingliederung ins Arbeitsleben. Was ihm davon gelang, ist nicht belegt. Am 27. Mai 1982 starb er in Schwäbisch Gmünd im Alter von 86 Jahren.49

Der Hauptvorwurf in der Anklageschrift50 war die hohe Zahl der Todesfälle: "Der Gefangenenstand, der ursprünglich 400 bis 500 Gefangene betrug, war bis im Jahre 1945 auf 1000 gestiegen. Die Zahl der Todesfälle war unverhältnismäßig hoch, nach den standesamtlichen Registern mindestens 85 in 4 Jahren: 38 Deutsche, 24 Litauer, 6 Franzosen, 5 Holländer. Dieses Minimum an 85 Todesfällen enthält nicht diejenigen, die im Spital zu Tübingen verstorben sind und weiterhin auch nicht diejenigen, welche während der Evakuierung der Strafanstalt im April 1945 ermordet wurden und für die keine weiteren Angaben bekannt sind. Schließlich können wir ebenfalls die Anzahl der Krüppel51 und Tuberkulosekranken nicht bestimmen, die außerhalb des Gefängnisses gestorben sind."52 Und weiter: "War es 1941 einer, 1942 drei, 1943 neun und 1944 schon 33, waren es weitere 26 von Januar bis Mai 1945."53 Bis Kriegsende 1945 wurden die Toten auf den beiden Friedhöfen der Stadt Rottenburg beigesetzt.54 In den 1980er Jahren wurde aufgedeckt, dass zwischen Dezember 1944 und April 1945 insgesamt 22 Leichen an die Anatomie der Universität Tübingen "geliefert" wurden.55

Trotz dieser Tatbestände lehnte Hermann Schwarz das Rastatter Urteil ab: "Ich habe mir weder in persönlicher noch in dienstlicher Beziehung etwas vorzuwerfen."56 Er argumentierte uneinsichtig: "Auch wir sind Söhne unseres deutschen Vaterlandes, die ihrem Lande treu und pflichtbewusst gedient haben."57 Und: "Alle diese Männer, die hier als Angeklagte sitzen, können nach deutschem Recht nicht bestraft werden, da sie nach deutschen Strafgesetzen keine strafbaren Handlungen begangen haben."58

Wenn das Rastatter Gericht dem Gefängnisarzt Dr. Heinrich Büttgen anlastete, er hätte seine Mitarbeit verweigern59 müssen, so galt dasselbe umso mehr für Schwarz. Büttgen wurde zur Mitarbeit verpflichtet, Schwarz hatte sie gewollt. Mit seinen Erfahrungen im Strafvollzug wusste er, dass er als Beamter eines verbrecherischen Staats Unrecht im Strafvollzug umsetzen musste. Seine steile Karriere im NS-Staat zeigt seine Bereitschaft, den Vorstellungen der Machthaber zu entsprechen. Er ordnete die unmenschlichen Verschlechterungen in der Rottenburger Anstalt an, denn nur durch seine rigiden Repressionen konnte das nationalsozialistische Ziel der "Vernichtung" durch Arbeit, Nahrungsmangel und Gewaltmaßnahmen durchgesetzt werden. Schwarz leistete den Verbrechen Vorschub und er vertuschte sie nach außen. Als unbequemes Parteimitglied wurde er von höherer Stelle gedeckt.60 Auf die beiden Motivationen Karriereorientiertheit und sozialer Aufstieg konnten seine Vorgesetzten setzen, wenn sie mit seiner Beförderung und Gehaltserhöhung Verschlechterungen der Lebens- und Arbeitsbedingungen für Insassen und Personal flankierten.

Hermann Schwarz wusste, dass politische Gefangene keine Verbrecher waren und dass auch Verbrechen an Verbrechern als Verbrechen zu werten sind.61 Deutsche Beamte wie er verübten aus Treue zum Staat als "gute Deutsche", vor allem aber im Interesse ihrer Karriere namenlose Unmenschlichkeiten und machten sich so schuldig. Leider hat in der NS-Zeit dieser harmlos klingende Patriotismus viele Menschen zu Verbrechern gemacht, wofür die Karriere von Hermann Schwarz ein gutes Beispiel ist.

Hermann Schwarz zeigte nie Reue. Im Gegenteil warben er und seine Befürworter mit den alten Sprach- und Denkmustern um Mitleid mit der selbst verursachten Situation. Er blieb dabei, sich nichts vorwerfen zu müssen. Während seiner eigenen Haft forderte er – verbittert über sein Schicksal – für sich vom neuen Staat ein,62 was er einst den Opfern der NS-Justiz zu verweigern half: Rechtssicherheit, Lebensqualität und Empathie.

Einzelnachweise

Mehr
  1. Schuberth 2017.
  2. Ebd., S. 32.
  3. StAS: Wü 13 T 2 Nr. 2575/375, Lupfer, Karl, Lebenslauf, S. 3.
  4. de Pasquale 2013, S. 4 beschreibt ebenfalls "einen 'neuzeitlichen', humanen Strafvollzug".
  5. StAS: Wü 13 T 2 Nr. 2575/375, Lupfer, Karl, Lebenslauf, S. 3; Schuberth 2017, S. 41.
  6. Zitiert in: Klöss 1999, S. 152.
  7. Naumann, 2014, S. 5f; Schuberth 2017, S. 91f: "Strafwillkür wurde ausdrücklich gefordert!", S. 98: "Im 3. Reich war es dann mit Würde und Rechten von Gefangenen vorbei."
  8. Füllberth 2014, S. 9; Schuberth 2017, S. 79: kriegsgefangene Russen, Balten, Polen, Franzosen, Italiener usw.
  9. StAS: Wü 13 T 2 Nr. 2676/114, Säuberungsverfahren Schwarz, Hermann.
  10. Naumann 2014, S. 5. "In den letzten Kriegsjahren waren die Bedingungen für die Gefangenen lebensbedrohlich."
  11. Schuberth 2017, S. 78.
  12. Benz 1983, S. 67; Kershaw 2004, S. 267.
  13. StAS: Wü 13 T 2 Nr. 2575/375, Lupfer, Karl, Lebenslauf, S. 31; BarchK: E 2379/50 Bl. 107: Lupfer hatte "seit August 1941 wohl noch die Planstelle als Regierungsrat beim Strafgefängnis Rottenburg auf dem Papier inne, {war} aber nicht mehr Vorstand des Strafgefängnisses Rottenburg, sondern des Strafgefängnisses Wolfenbüttel"; Schuberth 2017, S. 155: Schwarz wurde "1939 – 1945 von den Nazis eingesetzt."
  14. Schuberth 2017, S. 56.
  15. SAL: Stadtarchiv Luwigsburg, Standesamt, Geburtseintrag
  16. HStAS: M 461 Bd. 4.
  17. SASG: Einwohnermelde-Eintrag.
  18. Brüggemann 2013, S. 132f.
  19. StAS: Wü 13 T 2 Nr. 2676/114, Säuberungsverfahren Schwarz, Hermann.
  20. Musall 2013, S. 31f: Das Gegenteil eines "guten Deutschen" waren Kommunisten, Katholiken und "Fremdvölkische", die als "Internationale" zusammengefasst, und Juden, auf die alle demokratischen, kapitalistischen und liberalen Positionen projiziert wurden.
  21. StAS: Wü 13 T 2 Nr. 2676/114, Säuberungsverfahren Schwarz, Hermann.
  22. BArchB: NSDAP-Zentralkartei, Schwarz, Hermann, Rechnungsrat.
  23. StAS: Wü 13 T2 Nr. 2676/114, Säuberungsverfahren Schwarz, Hermann.
  24. Ebd.
  25. Ebd., Schwarz am 20.11.1951.
  26. StAS: Wü 13 T 2 Nr. 2575/375, Lupfer.
  27. BarchK: E 2379/50 Bl. 10.
  28. BarchK: E 2379/50 Bl. 126.
  29. Kaltenmark 1994, S. 92.
  30. BarchK: E 2379/50 Bl. 163.
  31. StAS: Wü 13 T2 Nr. 2676/114, Schwarz.
  32. Ebd. Zeuge Wilhelm Papenfuss, ehemaliger Gefängnisinsasse.
  33. Roser 1999, S. 797; Schuberth 2017, S. 91: "Freisler besuchte unsere Anstalt 1936 und zeigte sich‚ sehr zufrieden über (seine) Eindrücke'." Zitiert aus der Rottenburger Zeitung vom 12.2.1936.
  34. StAS: Wü 13 T2 Nr. 2676/114, Schwarz am 26.11.1951.
  35. Ebd.
  36. Wachsmann 2014.
  37. Pendaries 1995, S. 234.
  38. StAS: Wü 13 T2 Nr. 2676/114, Schwarz, Zeuge Papenfuss.
  39. BarchK: E 2379/50 Bl. 29.
  40. Dees 1988.
  41. Geschichtswerkstatt Singen 2005, S. 77.
  42. Ebd.
  43. StAS: Wü 13 T 2 Nr. 2676/114, Schwarz an Spruchkammer.
  44. BArchK: B 305/4477 Bl. 136.
  45. BArchK: E 2379/50 Bl. 95; "Die Angeklagten haben das Wort", in: Schwäbisches Tagblatt vom 18.02.1947; "Todesurteil im Rottenburg-Prozeß", in: Schwäbisches Tagblatt vom 21.2.1947; Schuberth 2017, S. 55.
  46. BArchK: E 2379/50 Bl. 28.
  47. Ebd. Bl. 27.
  48. StAS: Wü 13 T2 Nr. 2676/114, Schwarz.
  49. Auskunft des Standesamts Schwäbisch Gmünd.
  50. "Mißhandlungen im Rotenburger Gefängnis", in: Schwäbisches Tagblatt vom 14.2.1947; Schuberth 2017, S. 52.
  51. Bezeichnung für Körperbehinderte in der damaligen Zeit.
  52. BarchK: E 2379/50 Bl. 9.
  53. StAS: Wü 13 T 2 Nr. 2676/114, Sitzung vom 19.2.1947.
  54. Wigberth 2017, S. 56: Liste mit Namen von 68 Toten.
  55. Schönhagen 1987, S. 110.
  56. BarchK: E2379/50 Bl. 108.
  57. Ebd. Bl. 111.
  58. Ebd. Bl. 137.
  59. Ebd. Bl. 131. Dr. Heinrich Büttgen war ab 1941 nebenberuflich für 1 ½ Stunden täglich in der Strafanstalt Rottenburg, als Vertragsarzt verpflichtet worden.
  60. Ebd. Bl.148.
  61. Wachsmann, zitiert in: Füllberth, S. 1.
  62. BarchK: E 2379/50 Bl. 138.
  1. Bade, Claudia, "Tagungsbericht: Strafvollzug im Nationalsozialismus, 20.09.2007 – 21.09.2007 Brandenburg", in: H-Soz-Kult, 13.11.2007, <hsozkult.de/conferencereport/id/tagungsberichte-1760> (letzter Zugriff: 24.8.2020).

  2. Benz, Wolfgang, "Partei und Staat im Dritten Reich", in: Broszat, Martin / Möller, Horst (Hg.), Das Dritte Reich. Herrschaftsstruktur und Geschichte. Vorträge aus dem Institut für Zeitgeschichte, München 1983, S. 64-82.

  3. Brüggemann, Sigrid, "Schutzhaftabteilung Gotteszell", in: Bauz, Ingrid / Brüggemann, Sigrid / Maier, Roland (Hg.), Die Geheime Staatspolizei in Württemberg und Hohenzollern, Stuttgart 2013², S. 121-122.

  4. Bundesarchiv, Haftanstalten und Straflager der Justiz (Deutsches Reich) <bundesarchiv.de/zwangsarbeit/haftstaetten/index.php> (letzter Zugriff: 19.08.2020).

  5. Dees, Thomas, "Monsignore August Ruf - Märtyrer für Glauben und Menschlichkeit", in: Uttenweiler, Bernd (Hg.), Schicksal und Geschichte der jüdischen Gemeinden Ettenheim, Altdorf, Kippenheim, Schmieheim, Rust, Orschweier, Ettenheim 1988, S. 58-67 <archive.vn/eSWvt> (letzter Zugriff: 27.8.2020).

  6. Füllberth, Johannes, "Strafvollzug im Strafgefängnis Spandau – eine Fallstudie über 25 Jahre Gefängnis in zwei Systemen." Vortrag am 14.10.2010 in der Gedenk- und Bildungsstätte Haus der Wannsee-Konferenz, in: Forum Justizgeschichte <forumjustizgeschichte.de/Kai-Naumann.186.0.html> (letzter Zugriff: 17.7.2014).

  7. Geschichtswerkstatt Singen (Hg.), "Seid letztmals gegrüßt". Biografische Skizzen und Materialien zu den Opfern des Nationalsozialismus in Singen, Singen 2005.

  8. Kaltenmark, Otto, Und ein Krieg dazwischen. Szenen einer Jugend am Neckar, Berlin 1994.

  9. Kershaw, Ian, Der NS-Staat, Hamburg 2009 (4. Auflage).

  10. Klöss, Erhard, "Reden des Führers", S. 152f, zitiert in: Schneider, Michael (Hg.), Unterm Hakenkreuz: Arbeiter und Arbeiterbewegung 1933 bis 1939, Bonn 1999, S. 458-459.

  11. Musall, Bettina, "Schneidige Untertanen", in: Spiegel Geschichte Nr. 3/2013: Das Deutsche Kaiserreich, 1871 bis 1914: Der Weg in die Moderne, S. 28-31.

  12. o.N., "Die Angeklagten haben das Wort", in: Schwäbisches Tagblatt vom 18.02.1947.

  13. o.N., "Mißhandlungen im Rotenburger Gefängnis", in: Schwäbisches Tagblatt vom 14.2.1947.

  14. o.N., "Todesurteil im Rottenburg-Prozeß", in: Schwäbisches Tagblatt vom 21.2.1947.

  15. Pasquale, Sylvia de, Zwischen Resozialisierung und "Ausmerze". Strafvollzug in Brandenburg an der Havel (1920-1945), Berlin 2013.

  16. Pendaries, Yveline, Les procès de Rastatt (1946-1954): Le jugement des crimes de guerre en zone francaise d’occupation en Allemagne, Bern 1995.

  17. Roser, Annette, "Karl Wilhelm Waldmann, württembergischer Staatsekretär", in: Kießener, Michael / Scholtyseck, Joachim (Hg.), Die Führer der Provinz. NS-Biographien aus Baden und Württemberg, Konstanz 1999, S. 781-803.

  18. Schönhagen, Benigna, Gräberfeld X. Eine Dokumentation über NS-Opfer auf dem Tübinger Stadtfriedhof, Tübingen 1987.

  19. Schuberth, Wigbert, Der Schlüssel zum Schloss. Die Chronik des Rottenburger Gefängnisses, Verlag Books on Demand; Rotterdam Bookmundo 2017.

  20. Sedelmaier, Josef, "Bericht über das Kriegsende in Rottenburg, nach 1945," in: Kienzle, Paula, Mit Angst und Sorge dem Kriegsende entgegen Der schon verlorene Krieg zog sich endlos dahin, Rottenburg 2015, S. 119-120.

  21. Wachsmann, Nikolaus, Gefangen unter Hitler. Justizterror und Strafvollzug im NS-Staat, München 2006.

  1. Bundesarchiv Berlin (BarchB): Berlin Document Center (BDC). NSDAP-Zentralkartei. Schwarz, Hermann, Rechnungsrat.

  2. Bundesarchiv Koblenz (BarchK): B 305/4477. Schwarz, Hermann.

  3. Bundesarchiv Koblenz (BarchK): E 2379/50. Schwarz, Hermann.

  4. Hauptstaatsarchiv Stuttgart (HstAS): M 461, Bd. 4: Kriegsstammrolle.

  5. Staatsarchiv Sigmaringen (StAS): Wü 13 T2 (Staatskommissariat für die politische Säuberung) Nr. 2575/375. Lupfer, Karl aus Rottenburg am Neckar geb. am 10. Januar 1887 <landesarchiv-bw.de/plink>.

  6. Staatsarchiv Sigmaringen (StAS): Wü 13 T2 (Staatskommissariat für die politische Säuberung) Nr. 2676/114. Schwarz, Hermann aus Ludwigsburg (Geburtsort); z. Z. Strafgefängnis Wittlich geb. am 13. Februar 1896 <landesarchiv-bw.de/plink>.

  7. Stadtarchiv Luwigsburg (SAL): Standesamt, Geburtseintrag.

  8. Stadtarchiv Schwäbisch Gmünd (SASG): Standesamt, Todesdatum.